„Evolve“: Das Monster im Spieler

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In „Evolve“ treten immer vier Spieler gegen ein Monster an, das ebenfalls von einem Menschen gesteuert wird. Die Asymmetrie funktioniert als Spielprinzip bestens.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Spieleentwickler lieben die Symmetrie. Vor allem in Ego-Shootern mit Multiplayer-Komponente ist sie weit verbreitet: Egal, ob Battlefield 4, Call of Duty: Advanced Warfare, Destiny, oder Team Fortress 2 – in den meisten Spielvarianten treten gleichgroße Gruppen gegeneinander an. Das fördert den Teamgedanken und beugt Streitereien über Fairness und Unfairness vor – insbesondere, wenn pfiffige Matchmaking-Algorithmen gute und weniger gute Spieler gleichmäßig auf beide Parteien verteilen.

Evolve dagegen, das ab Dienstag für PC Playstation 4 und Xbox One erhältliche Actionspiel von Turtle Rock Studios, funktioniert ganz anders, kassierte dafür bereits im Vorfeld der Veröffentlichung über 70 Auszeichnungen von Fachmagazinen und wurde auf der letztjährigen Gamescom von einer Fachjury zum besten Spiel der Messe gekürt.

Statt wie so oft acht gegen acht, 16 gegen 16 oder 32 gegen 32 Spieler in eine Arena zu werfen, damit diese ein Siegerteam unter sich ausmachen, heißt es inEvolve immer vier gegen einen. Ein Quartett aus Monsterhäschern macht gemeinsam Jagd auf ein ebenfalls von Menschenhand gesteuertes Ungeheuer. Ziel der vier ist es, das Monster zu töten. Ziel des Monsters ist es, die vier umzubringen oder ein spezielles Stromrelais zu zerstören.

In der Praxis geht das Konzept voll auf. Die Monsterjäger können die Kreatur nur dann besiegen, wenn sie koordiniert vorgehen, sich ständig absprechen und ihre unterschiedlichen Talente in die Waagschale werfen. Das aus derVerfolgerperspektive gesteuerte Monster wiederum muss genau das verhindern und im richtigen Moment zuschlagen. Vorher jedoch tut es gut daran, Wildtiere zu erlegen und zu fressen, um Kraft zu schöpfen und verschiedene Metamorphose-Stufen zu durchlaufen. Irgendwann wird es durch diesen Evolutionsprozess so mächtig, dass es die direkte Konfrontation mit seinen Verfolgern nicht mehr scheuen muss.

Erfahrene Jägertrupps lassen es erst gar nicht so weit kommen und versuchen, das Monster einzukesseln. Das klappt am schnellsten, wenn sie die Signale ihrer Umgebung zu deuten wissen. Aufgeschreckte Vogelschwärme, Fußspuren, umgestürzte Bäume und herumliegende Tiergerippe etwa liefern wichtige Hinweise zum Aufenthaltsort des Gehetzten. Noch effektiver ist die Jagd, wenn der Fallensteller des Teams, der sogenannte Trapper, seine Spezialfähigkeiten einsetzt. Spielfigur Daisy zum Beispiel verlässt sich auf die Nase ihres Hundes, Griffin arbeitet mit Schallsensoren und Abe schwört auf Ortungspfeile.

Bereits in dieser Phase erzeugt Evolve reichlich Spannung, erinnert an Filme wiePredator und Aliens. Die feindselige Umgebung und die Vibrationseffekte intensivieren das Erlebnis noch. Wer nicht aufpasst, wo er in der Dschungelwelt des Planeten Shear hintritt, muss sich nicht wundern, wenn er von Riesenpflanzen verschluckt, Sumpfreptilien gebissen oder sogenannten Blitzleoparden verwundet wird. Währenddessen macht sich das Stampfen eines nahenden Monstrums durch immer stärkeres Surren der Unwucht-Motoren im Controller bemerkbar.

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Zunächst drei verschiedene Monster

Kommt es zum Showdown, ist Teamwork gefragt. Während Spieler der Assault-Klasse ihr Energieschild hochfahren und mit Blitzgewehr, Flammenwerfer oder Raketenwerfern angreifen, obliegt dem Sanitäter die Heilung angeschlagener Kameraden. Die Support-Klasse assistiert mit Orbitalschlägen, autonomen Geschütztürmen, Schadensverstärkern und Tarnfeldern. Der Trapper versucht, den Bewegungsradius des Monsters mit Harpunen und einem kuppelförmigen Energiekäfig einzuschränken.

Um den Nervenkitzel auf einem konstant hohen Niveau zu halten, bietet Evolveneben einem Dutzend Jäger-Charakteren insgesamt drei spielbare Monster. Goliath rupft Felsbrocken aus dem Erdreich, speit Feuer, vollführt Rammattacken und Schmettersprünge. Krake ist eher etwas für Spieler, die ihre Gegner bevorzugt mit Blitzen aus der Luft bekämpfen. Leisetreter entscheiden sich derweil für Geist – der ist zwar nur marginal gepanzert, dank Schlangenkörper und Sichelarmen aber flink und tödlich zugleich.

Vor allem im Onlinespiel mit menschlichen Teilnehmern fühlt sich das Katz- und Maus-Spiel höchst erfrischend an und dürfte insbesondere diejenigen über Wochen begeistern, die die nötige Geduld mitbringen, alle taktischen Möglichkeiten der zwölf Jägertypen, drei Monsterarten, 16 Szenarien und vier Spielmodi auszuloten.

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Der vollständige Artikel ist am 09. Februar 2015 bei Zeit Online erschienen.