PS4 und Xbox One: So gut sieht die Spiele-Zukunft aus

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Fast alle Spiele-Entwickler sind von der Xbox One und der PS4 mehr als angetan. Endlich haben sie mehr Freiheiten beim Gamedesign.

Von Benjamin Kratsch/bpf

Los Angeles, E3-Messe, 15 Uhr: Die Demo zum Xbox One-Exklusivtitel „Quantum Break“ startet. Eine junge Frau steht im Labor und dokumentiert Forschungsergebnisse. Plötzlich kracht eine Drohne gegen ihre Fensterscheibe und explodiert. Die Dame wird nach hinten geworfen, und das Bild friert ein. Tausende kleine Scherbenteile stehen in der Luft, orange Sonnenstrahlen reflektieren in ihnen wie in einem Spiegel und tauchen den Raum in ein buntes Farbenmeer. Die Mimik der Lady ist ebenfalls eingefroren. Doch ist das überhaupt eine Spielfigur aus Polygonen mit ihren feinen Hautporen, den kleinen Falten auf Höhe des Kinns und dem dezente Make-Up? Diese unglaubliche Exaktheit bei großen Flächen und realistische Detailtreue bis hinein in die Nahperspektive ist es, das Spieler von der kommenden Konsolen-Generation – der PS4 von Sony und der Xbox One von Microsoft – erwarten. Wir haben die Leistungsfähigkeit der Next-Gen-Konsolen bezüglich dieser neuen Möglichkeiten des Gamedesigns anhand der ersten dafür programmierten Spiele auf den Prüfstand gestellt.

Quantum Break: Echt ist nicht genug – subtile Emotionen sind das Ziel

„Schon heute sehen Spielfiguren täuschend echt aus“, erklärt Sam Lake vom finnischen Entwickler Remedy Entertainment („Max Payne“), der als Chefdesigner an Quantum Break arbeitet. „Aber was ist mit dem Minenspiel? Der Mensch ist ein sehr subtiles Wesen. Wir müssen nichts sagen, unsere Augen verraten uns.“ Laut dem finnischen Entwickler gibt es bereits heute viele Spiele wie „L.A. Noire“ oder „The Last of Us“, bei denen der Spieler den Charakteren ansieht, ob sie traurig, glücklich oder ängstlich sind. „Aber das sind die großen Emotionen, das ist keine Herausforderung. Ich suche nach diesen subtilen Momenten, etwa wenn wir die Lippe leicht nach innen schieben oder darauf beißen, etwa wenn uns etwas peinlich ist oder wir etwas zu verbergen haben.“

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Authentisches Arbeiten: Schauspieler mit Biss

Um das zu realisieren, müssen die Quantum-Break-Macher ungewöhnliche Wege gehen: „Wir haben unsere Schauspieler gebeten, beim Zahnarzt Abdrücke von ihren Gebissen anzufertigen. Das war für uns wichtig, denn nur so können wir den digitalen Scan eines Gesichts mit dem ‚Innenleben‘ richtig verknüpfen.“ Hochleistungs-Kameras scannen aus nächster Nähe jeden Millimeter des Gesichts, „was allerdings im Mundinnenraum passiert, können wir aktuell noch nicht digital festhalten“, erklärt Lake mit einem Grinsen. Deshalb hat sein Team die Gebisse anhand der Abdrücke 1:1 nachdesignt. Beißt sich Hauptdarstellerin Sofia Amaral jetzt auf die Lippen, wird die gescannte Animation des gesamten Mundbereichs mit der Bewegung der Zähne synchronisiert. Das verblüffende Ergebnis ist eine nahezu identische Kopie der Schauspielerin.

Assassin’s Creed 4: Realistische Berechnung von Wind und Wellen

Playstation 4 und Xbox One besitzen 16 Mal so viel Prozessorleistung wie ihre Vorgänger PS3 und Xbox 360. Diese zusätzliche Power nutzt Ubisoft in seinem kommenden Action-Adventure „Assassin’s Creed IV: Black Flag“ für komplexe physikalische Berechnungen: „Die Stärke des Windes bedingt den Wellengang“, erklärt Creative Director Jean Guesdon. Das ist wichtig für den Spieler, denn er steuert in diesem Piratenabenteuer einen Dreimaster, der sich mitunter durch heftige Stürme kämpfen muss. Je heftiger der Sturm, desto höher türmen sich die Wellen auf. „Das Meer spielt mit dem Schiff, der Kahn wird hin- und hergeworfen. Eventuell werden Mannschaftsmitglieder von Deck gespült, und über Sie bricht ständig Wasser hinein, was wiederum die Sicht verschlechtert.“

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Kinoreife Kanonengefechte

All’ diese technischen Spielereien ziehen einen als Spieler deutlich stärker ins Spiel hinein, vor allem weil in Assassin’s Creed 4 nicht nur Orkane toben, sondern auch Kanonen donnern. Wir haben beispielsweise einen Kampf gegen eine spanische Galeone erlebt, bei der man eben nicht nur das Schiff durch den Sturm lotsen, sondern den Kahn auch in die richtige Feuerposition bringen und die Kanoniere dirigieren muss. Eine taktische Herausforderung, die mindestens so toll aussieht wie in Kinofilmen der Marke „Master & Commander“ mit Russel Crowe.

Battlefield 4: Die große Spielwiese der dynamisch generierten Levels

Dice, die schwedischen Superstars der Ego-Shooter-Szene,setzen in „Battlefield 4“ die neue Grafikpower vor allem für dynamische Levels ein. Auf der Multiplayer-Karte „Siege of Shanghai“ beispielsweise ist ein gigantischer Wolkenkratzer platziert, um den sich das ganze Geschehen dreht. Hier steht oben auf der Karte eine der vier Flaggen, die im Modus „Eroberung“ eingenommen und gehalten werden müssen, um dem feindlichen Team Tickets abzuziehen. Durch diesen vertikalen Schwerpunkt ergeben sich ganz neue Taktiken, etwa weil wir bei einem Anspieltermin unsere fünfköpfige Einheit mit einem Transporthubschrauber nach oben fliegen und so schneller sind als der Feind, der den Fahrstuhl nimmt. Richtig spannend wird es allerdings, wenn die chinesischen Spieler ihre Spezialwaffe zünden: eine Tomahawk-Rakete, die von einem Kriegsschiff in der See vor Shanghai abgefeuert wird. Natürlich muss man sich diesen Angriff erst mit Punkten und Abschüssen verdienen, schlägt die Rakete aber erst mal in das Gebäude ein, beginnt es langsam zu kippen.

Action-Feuerwerk zum Trümmermeer

Wir rutschen durch die Gänge, sehen, wie Mobiliar durch die Gegend fliegt und springen im letzten Moment ins Freie, bevor der Wolkenkratzer in sich zusammenfällt. Aber der Fall des Hochhauses markiert mitnichten das Ende der Karte, sondern verändert das gesamte Layout: Fortan kämpfen Sie in einem Trümmermeer, in dem Fahrzeuge schwer vorankommen, ergo die Infanterie die wichtigste Rolle spielt. Allerdings sehen Sie nur wenig, denn der Einsturz hat viel Staub aufgewirbelt, was wiederum taktische Absprachen erschwert, aber perfekt geeignet ist, um einen Hinterhalt zu legen.

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Metal Gear Solid 5: Offene Welt, Angriff bei Tag oder Nacht?

Einen Mix aus den verschiedensten Ideen verfolgt Metal Gear Solid-Guru Hideo Kojima. Sein neues Epos „Metal Gear Solid 5: The Phantom Pain“ spielt in einer gigantischen offenen Welt. Zwar waren auch die Vorgänger schon recht offen ausgelegt und belohnten kreative Schleicher, doch die Levels waren letztlich doch nur auf ein paar Straßenzüge und ein bis zwei Häuser begrenzt. War dieser Bereich überquert, wurde der nächste geladen. Metal Gear Solid 5 sprengt diesen Rahmen jetzt um ein Vielfaches, denn der Spieler entscheidet, wo und vor allem wann er angreift.

Bei Nacht ist es leichter, in ein schwer bewachtes Lager einzudringen, weil die Sichtkegel der Soldaten deutlich reduziert sind. Dafür patrouillieren mehr feindliche Einheiten, die Geräusche werden ein zu berücksichtigender Faktor, und die Soldaten agieren deutlich vorsichtiger. Am Tag rechnet keiner mit einem Angriff; es ist hier durchaus möglich, mit einem Pferd querfeldein durch die Wüste zu reiten, sich mal kurz vom Sattel hängen zu lassen, wenn Wachposten schauen, und sich so unbemerkt einem großen Fahrzeugdepot zu nähern.

Grafik-Hammer mit Star-Faktor

Dort wiederum entscheidet man, wie es weitergehen soll: Mit Feuerkraft im Schützenpanzer? Oder doch lieber unerkannt, indem man sich in einer Schafherde versteckt und mal schnell unter die Plane eines Lastwagens schlüpft. Ganz nebenbei ist Metal Gear Solid 5 dank starker Mimik und Gestik, dem schauspielerischen Talent von „24“-Star Kiefer Sutherland, der den Hauptcharakter spielt, sowie hollywoodreifer Effekte auch noch das aktuell schönste Spiel für die nächste Generation.

Fazit

Fast alle Entwickler strahlen beim Thema Xbox One und PS4 über beide Ohren. Endlich fallen viele Hardware-Schranken weg, endlich können sie ihre Träume umsetzen und haben wesentlich mehr Freiheiten beim Gamedesign. Ob es größere Welten sind, physikalisch korrekte Wellen- und Windberechnung oder virtuelle Gesichter, bei denen Sie überlegen müssen, ob es Spielfiguren oder echte Schauspieler sind – die nächste Hard- und Software-Generation bringt einen kräftigen Realitätsschub. Viel Künstliches fällt weg, das Spielerlebnis wirkt echter, glaubwürdiger – und damit zugleich auch unterhaltsamer.

Erschienen am 19. Juli 2013 bei T-Online