„Assassin’s Creed 4: Black Flag“ im Test: Schöne, neue Piratenwelt

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Jedes Jahr ein neues „Assassin’s Creed“ – ist da überhaupt noch Platz für Innovationen?


Von Olaf Bleich

Als Ubisoft im Jahr 2012 „Assassin’s Creed 4: Black Flag“ ankündigte, war die Skepsis groß. Ein Seefahrer-Abenteuer mit den typischen Elementen der Serie? Das alles klang sehr verworren und improvisiert. Und dennoch mausert sich der inzwischen sechste große Teil der Action-Adventure-Serie, der für PC, PS3, Xbox 360, Wii U sowie für die Next-Gen-Konsolen PS4 und Xbox One erscheint, zu einem außergewöhnlichen Spielerlebnis – trotz kleiner Schwächen.

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Schrecken der Karibik

Edward Kenway hat nur einen Wunsch: Raus aus England! Er sehnt sich nach Geld und Reichtum. Er würde dafür alles tun, verlässt sogar seine geliebte Frau Caroline. Und so präsentiert Ubisoft Kenway als zerrissenen Held von „Assassin’s Creed 4: Black Flag“, der Anfang des 18. Jahrhunderts eher zufällig in den schwelenden Konflikt zwischen Assassinen und Templern hineinschlittert. Nach einigen Wirrungen macht er Bekanntschaft mit Gouverneur Torres. Der alte Mann ist eine prägende Figur des Templerordens und auf der Suche nach dem Observatorium – einer Maya-Konstruktion, die ihrem Besitzer unvorstellbare Macht schenken soll.

Über 40 Stunden Spielzeit

Und so entspinnt sich in „Black Flag“ eine für die Serie gewohnt wirre und mit kruden Charakteren wie Blackbeard oder Jack Kidd gespickte Geschichte. Die Rahmenhandlung für das Piratenabenteuer bietet einmal mehr das Hightech-Unternehmen Abstergo Industries. Hier ist der Spieler als Proband für das Entertainment-Produkt Animus in den Büros unterwegs. Diese Spielabschnitte sind allerdings nur eingestreute Elemente und nehmen kaum mehr als zwei der mehr als 40 Stunden Gesamtspielzeit ein.

Alte Tugenden, leicht angestaubt

Trotz des neuen Piratenszenarios, der Seefahrerei und Schiffschlachten bleibt „Assassin’s Creed 4: Black Flag“ seiner Helden-Tradition treu: Edward Kenway schleicht, fechtet, klettert und rennt, wie es Ezio, Altair und Connor bereits vor ihm getan haben. Dabei merkt man Black Flag allerdings schon etwas das Alter der Serie an: Die Animationen wurden nahezu komplett aus den Vorgängern übernommen. Die Schleich-Mechanik ist weiterhin sperrig; Edward kann sich nicht aktiv ducken, sondern benötigt Büsche, Heuhaufen oder Bänke, um sich zu verstecken. Die Kämpfe hingegen spielen sich schön flott und erinnern vage an den Action-Hit „Batman: Arkham City„. Allerdings ist Edward mit bis zu vier Pistolen und zwei Schwertern viel zu stark, so dass in Black Flag der leichteste Weg durch die Missionen häufig direkt mit dem Kopf durch die Wand führt.

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Licht und Schatten

Die zwölf Kapitel umfassende Kampagne wiederum birgt Licht und Schatten. Auch hier wurden Elemente der Vorgänger, beispielsweise das Belauschen und Verfolgen von Zielpersonen, übernommen. Diese Zwischenaufgaben ziehen sich jedoch leider immens und wiederholen sich zu oft. Auf der anderen Seite aber glänzen gerade die letzten Aufgaben der Sequenzen immer wieder mit wirklich fulminanten Schlussspurts, in denen die neuen Bestandteile von Black Flag klasse zum Tragen kommen. Wenn Kenway beispielsweise mit einer Leck geschlagenen Jackdaw – seinem Schiff – vor der spanischen Armada in einen Hurrikan flüchtet, dann sieht das einfach fantastisch aus und jagt dem Spieler mit dem an „Fluch der Karibik“ erinnernden Soundtrack eine Gänsehaut über den Rücken.

Die Schönheit der Karibik

So ist die neue, offene Spielwelt der Hauptgrund, um „Assassin’s Creed 4: Black Flag“ zu spielen. Denn während die Geschichte trotz netter Momente und Charaktere eher besserer Durchschnitt ist, macht das Erkunden der Inseln und Meere ungeheuer viel Spaß. Erneut gibt es herrlich viel zu entdecken und unglaublich viele Nebenaufgaben zu absolvieren. Beispielsweise nimmt Edward Aufträge des Maya-Assassinen Ah Tabai an und erhält dafür Schlüssel, mit denen er eine feuerfeste Assassinen-Rüstung freischaltet. Oder er klettert auf Maya-Statuen, richtet Lichtornamente aus und erhält so Zugang zu einem stilechten Maya-Outfit. In den Städten nehmen Sie Assassinen-Missionen an, sammeln Abstergo-Bruchstücke oder Notenblätter für Seemannslieder. Außerdem suchen Sie anhand von Karten nach Schatzkisten. Und Sie bauen sich – etwa ab der Hälfte des Spiels – ein eigenes Piraten-Versteck auf.

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Mein Schiff, meine Festung

Grundlage für diese Spielideen sind die Karibik, die ein farbiges und abwechslungsreiches Szenario bietet, und die Jackdaw. Das Schiff ist schwimmende Festung und Hauptquartier in einem. Die Seeschlachten gegen Briggs und Fregatten sind taktisch und technisch herausragend gelöst, das Belagern von Forts spannend und herausfordernd. Mit zunehmender Spielzeit und jeder Kaperfahrt sichern Sie zudem Rohstoffe wie Holz, Leinen und Eisen, mit denen Sie Bereiche wie die Panzerung oder die Kanonen aufrüstet. So verwandelt sich der anfangs mickrige Kahn in ein echtes Schlachtschiff.

Eindrucksvolle Unterwasserwelt

Edward Kenway geht auf die Jagd nach wilden Tieren und sogar auf Fischfang. In unterhaltsamen Mini-Games harpunieren Sie Haie und Wale. An Land wiederum erlegen Sie Ozelots, Leguane oder Rehe. Aus den Häuten und Knochen bastelt man sich dann im Menü neue Ausrüstungsgegenstände. Ein besonderer Höhepunkt sind die Tauchgänge, denn die Unterwasserpassagen zeigen Kenway als verwundbaren Taucher, der Schatztruhen finden, dabei aber Haien oder Muränen ausweichen und auf seinen Sauerstoffvorrat achten muss. Diese Momente sind grafisch ungemein beeindruckend und spielerisch eine willkommene Abwechslung.

Next-Generation-Versionen

„Assassin’s Creed 4: Black Flag“ erscheint zuerst für PS3 und Xbox 360, ein paar Wochen später, am 22. November, kommt das Spiel dann auch für den PCXbox One und PS4 – auch wenn die Sony-Konsole erst eine Woche später veröffentlicht wird. Die Unterschiede in den PC und Next-Gen-Versionen sind vor allem optischer Natur. Die Varianten für die aktuelle Konsolengeneration laufen in 720p-Auflösung (1280 x 720 Bildpunkte), die Fassungen für Xbox One und Playstation 4 werden 1080p (1920 x 1080) bieten. Das bedeutet: Die Grafik ist hier schärfer, und ganz subjektiv laufen die Next-Gen-Varianten auch einen Hauch flüssiger.

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Der Multiplayer-Modus

Der Mehrspielermodus für bis zu acht Spieler ist eine unterhaltsame Angelegenheit. Neu dabei ist das so genannte „Game Lab“, in dem man vorab alle Parameter – etwa die verfügbare Ausrüstung oder die Siegbedingungen – festlegt. Trotz des neuen Piratenszenarios, frischer Figuren und Karten fehlt es hier allerdings an monumentalen Verbesserungen. Spielmodi wie Artefakt-Angriff oder Kopfgeldwerden erfahrenen Spielern bekannt vorkommen.

Was uns gefällt

„Assassin’s Creed 4: Black Flag“ zeigt seine beste Seite, wenn es um die freie und offene Spielwelt geht. Hier gibt es unglaublich viele schöne Orte zu erkunden und Geheimnisse zu entdecken. Die fulminanten Seeschlachten, das Aufrüsten der Jackdaw und die Unterwasser-Ausflüge sind zweifellos die tragenden Spielspaß-Pfeiler.

Was uns nicht gefällt

Leider offenbart das Action-Abenteuer gerade in der Kampagne und an Land seine Schwächen: Gameplay-Elemente wie das Schleichen, Belauschen oder Verfolgen von Zielpersonen wirken altbacken und wiederholen sich im Spielverlauf zu oft. Außerdem ist Edward Kenway im Kampf zu mächtig, was dem Spiel zu viel Spannung raubt.

Fazit

Ein Fest für Piraten-Fans: Auch wenn Held Edward Kenway an Land ins Straucheln gerät, allein für die Seeschlachten, das motivierende Upgrade-System und die offene Spielwelt lohnt sich der Trip in die malerische Karibik.

Infos zum Spiel

Titel: Assassin’s Creed 4 Black Flag
Genre: Action-Adventure
Publisher: Ubisoft
Hersteller: Ubisoft
Release-Termin: 29. Oktober 2013 (PS3, Xbox 360), 22. November (PC, PS4, Xbox One, Wii U)
Preis: zirka 60 Euro
System: PS3, Xbox 360, PC, PS4, Xbox One, Wii U
USK-Freigabe: Ab 16 Jahren
Wertung: Sehr gut

Erschienen am 29. Oktober 2013 bei T-Online.