Videospiel „Batman: Arkham Origins“
 im Test: Acht Killer gegen Batman

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Mit „The Dark Knight“ hat Christopher Nolan ein Film-Epos geschaffen. Das neue „Batman“-Game atmet den Geist Hollywoods, ist aber trotzdem genug Spiel, um auch Nicht-Cineasten zu begeistern.


Von Benjamin Kratsch und Benedikt Plass-Fleßenkämper 

Helden werden nicht geboren, sie müssen an ihren Herausforderungen wachsen. Bruce Wayne alias Batman erarbeitete sich sein Image mit viel Schweiß, Knochenbrüchen und persönlichen Verlusten. Er wählte statt Blitzlicht-Gewitter die Dunkelheit, zog die Einsamkeit dem Playboy-Luxusleben vor. Doch es gab eine Zeit vor Christopher Nolans unsterblichem „Batman“-Epos „The Dark Knight“. Vermutlich dürften die meisten Bruce Waynes tragische Geschichte kennen: Seine Eltern sterben bei einem Raubüberfall, er zieht sich zurück und entdeckt unter dem Familien-Anwesen eine Höhle, die von Fledermäusen bewohnt wird. Doch was geschah danach? Wie wurde aus dem verwöhnten Millionärssöhnchen der mächtige dunkle Ritter? Diese Geschichte erzählt das Actionspiel „Batman: Arkham Origins“ für Xbox 360, PS3 und PC.

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Actionreicher Streifzug durch die „Batman“-Comics

„Arkham Origins“ ist sehr viel zackiger inszeniert als Nolans Hollywood-Blockbuster. Das Spiel startet, die Kamera zoomt auf Batman, wenige Sekunden später fliegen die Fäuste. Wie eine Maschine massiert der Fledermausmann mehreren Schlägern gleichzeitig die Wangen, blockt immer wieder Attacken und rammt die ersten Gegner in den Boden. Der Grund für den Aufruhr in Gotham City: Black Mask hat im Blackgate Prison eine Revolte angezettelt, zahlreiche Wärter getötet und hält den Polizeichef als Geisel.

Black Mask? Entwickler Warner Montreal bediente sich für die Auswahl von Batmans Antagonisten für vor allem aus 60 Jahren DC-Comics – und der eher unbekannte Black Mask erweist sich als prima Wahl für den Oberschurken des Spiels. Glücklicherweise macht Warner Montreal in „Arkham Origins“ nicht den gleichen Fehler wie Christopher Nolan in „The Dark Knight Rises“, dem Abschluss seiner „Batman“-Trilogie, in dem er den etwas plump wirkenden Maskenträger Bane als Nachfolger des charismatischen Jokers zum Bösewicht kürte.

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Die Entwickler lassen Bane in „Arkham Origins“ nur als Handlanger im Hintergrund agieren, stellen stattdessen mit Black Mask den wesentlich spannenderen Charakter in den Vordergrund. Er ist ähnlich sadistisch veranlagt wie der Joker in „The Dark Knight“ und durchaus eloquent, aber die beiden trennt eine wichtige Eigenschaft: Der Joker – mit dem man in „Arkham Origins“ übrigens eher am Rande ein Wiedersehen feiert – wollte nur mit Batman spielen, er wollte ihn nie ermorden. Black Mask will hingegen nur eins: Batmans Tod.

In Hollywood wär’s das Finale

Zu diesem Zweck trommelt er ein achtköpfiges Killer-Ensemble zusammen. Der „Alle gegen einen“-Plot klingt zwar nach Hollywood-Klischee, funktioniert in diesem „Batman“-Game aber hervorragend. Er bringt viel Dynamik ins Spiel, die Entwickler können den Cast immer mal wieder durchmischen – und der Spieler freut sich alle halbe Stunde über den nächsten spektakulären Bosskampf.

Generell ist das Tempo viel höher als im Film: So dauert es keine zehn Minuten, bis man in den Schlund von Killer Croc blickt. Die Auseinandersetzung mit dem Krokodil-Mensch würde in Hollywood wohl erst nach einer Stunde kommen, quasi als Einleitung fürs große Finale. Hier ist sie nur der Auftakt zu noch mehr Action – und fungiert gleichzeitig als Tutorial: Der Spieler lernt, wie er sich bewegen muss, wie er Stoßangriffen ausweichen und zur Seite rollen kann. Man setzt das Leder-Cape ein, um Gegner zu verwirren, hämmert auf die Tasten seines Gamepads, um wie ein Berserker auf das Reptil einzudreschen. So geht’s munter weiter: Der nächste Gegner ist ein Ninja im Titan-Mantel namens Deathstroke, der mit Katana, Kampfstab und Granatwerfer attackiert. Es folgt eine Schlangenfrau, die Batman gehörig den Kopf verdreht, ihn schwindelig tanzt und vergiften will. Firefly ist hingegen ein Wespen-Mensch, der mit Flammenwerfern kokelt, während der Electrocutioner auf Elektroschocks steht. Das macht richtig Laune, weil man immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt wird und seine Taktiken anpassen muss.

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Batman ist als Kampftyp eigentlich sehr eingeschränkt, verachtet Waffen, glänzt dafür im Nahkampf. Tritt man gegen Scharfschützen wie Deadshot an, ist man nun gezwungen, mit neuen Gadgets wie der Fernsteuer-Klaue zu experimentieren, mit der man mit einem Gummiband eine Person und ein Objekt „zusammenführen“ kann – in diesem Fall also Deadshot und ein explosives Fass. Überhaupt, die Gadgets: Ob der aus den Vorgängerspielen bekannte Batarang-Wurfstern oder der neue Elektroschock-Handschuh, der sowohl beim Gegner-Betäuben als auch in kleineren Rätseln zum Einsatz kommt, Batmans Hilfsmittel sind das Salz in der Action-Suppe.

Nur Bruce Wayne fehlt

Ist das hier nun ein Nolan-Batman zum Mitspielen? In Bezug auf Story, Action-Gehalt und Inszenierung: Ja. Die Charaktertiefe des Film-Batman erreicht der Spiel-Batman allerdings nicht – die Figur Bruce Wayne spielt in „Arkham Origins“ fast keine Rolle. Das hat seinen Grund, wie Produzent Ben Mattes im Gespräch mit stern.de erklärt: „Filme leben von der Balance von Action und ruhigeren Momenten. Autofahrten, die Gespräche mit Rachel – all das ist wenig interaktiv. Gamer wollen spielen, nicht nur zuschauen!“ Das könnte für Cineasten ein Manko sein. Die Entscheidung der Macher, sich vor allem aufs Gameplay zu konzentrieren, ist dennoch richtig: „Beyond: Two Souls“ hat gerade erst gezeigt, dass es selbst eine begnadete Schauspielerin wie Ellen Page schwer hat, ein Spiel zu tragen, wenn das Spielerische auf ein Minimum reduziert wird.

Ganz anders hier. Gotham City ist eine frei zugängliche, riesige Spielwelt, es gibt immer etwas zu tun: Gangsterbanden aufmischen, Funktürme hacken, Banküberfälle verhindern, Geiseln retten. Dazwischen warten immer wieder Bosskämpfe, aber auch fantastisch inszenierte Zwischensequenzen auf den Spieler. Mimik und Animationen der Computerfiguren sind dank der Mitwirkung von Branchenstars wie Troy Baker („The Last of Us“), dessen Bewegungen via Motion-Capturing-Verfahren ins Spiel gefunden haben, auf Leinwand-Niveau. Überhaupt kann sich die Grafik mit edlen Raucheffekten und Lichtspiegelungen wirklich sehen lassen; die Warner-Entwickler holen noch einmal alles aus den scheidenden Konsolen Xbox 360 und Playstation 3 heraus.

Fazit: Gamepad statt Popcorntüte

Auch wenn Bruce Wayne und generell die Charaktertiefe der Nolan-Filme fehlt, fühlt man sich spätestens bei den Zwischensequenzen wie im Kino – nur eben mit Gamepad statt Popcorn-Tüte in der Hand. Sowohl für Action-Liebhaber als auch Anhänger des dunklen Ritters ein durchweg lohnendes Spiel, das einen rund zwölf Stunden sehr gut unterhält.

Batman: Arkham Origins

Hersteller/Vertrieb WB Games/Warner Bros
Genre Action-Adventure
Plattform Xbox 360, PS3, PC
Preis 60 Euro
Altersfreigabe ab 16 Jahren

Erschienen am 25. Oktober 2013 bei stern.de.