Descent Underground: Mit Teamgeist und Tunnelblick

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Völlig losgelöst flogen und ballerten wir auf unserem 8-MByte-486er durch die schwerkraftlosen Tunnel von Descent. 20 Jahre später steht dem Action-Kultspiel eine Neuerfindung als Team-Shooter bevor.

Von Heinrich Lenhardt und Benedikt Plass-Fleßenkämper

Die Spielidee war ja eigentlich ganz einfach, aber wirksam – eine Variation des Ego Shooter-Prinzips, das die PC-Szene in Atem hielt: Statt eines waffenstarrenden Fußgängers steuerten wir ein nicht minder waffenstarrendes Raumschiff durch 3D-Levels, denen es an Schwerkraft mangelte. Die daraus resultierende Steuerungsfreiheit erlaubte verwegene Flugmanöver, kombiniert mit Struktur und Perspektive eines Shooters. „Descent ist schicker, schneller und schlauer als alle Doom-Varianten, die den Markt zurzeit überschwappen“, freute sich Rezensent Boris Schneider in der Ausgabe 3/1995 von PC Player, „Wo sonst bekommen Sie echte 3D-Grafik, intelligente Gegner und wirklich schwindelerregende Achterbahnfahrten?“

20 Jahre später könnte der Action-Alltag mal wieder eine Auffrischung vertragen. Auf PCs wird immer noch viel geschossen; die grafischen Fortschritte sind dabei beträchtlich, die spielerischen Innovationen dagegen überschaubar. Eine gute Zeit für ein Comeback des 6dof-Shooters – so lautet die Abkürzung für die Six degrees of freedom, welche die freie Steuerung im dreidimensionalen Raum gewährt.

Tunnels11

Das hofft zumindest Eric Peterson, Spielemacher und ein alter Descent-Fanboy. Er erinnert sich daran, wie sehr Descent-Netzwerkpartien die Produktivität bei seinem damaligen Arbeitgeber Origin gefährdeten: „Wir riefen zu Hause an und sagten ‚Schatz, wir müssen im Büro noch Überstunden schieben‘. Dann waren wir ab 18 Uhr stundenlang am Descent-Zocken. Ich glaube, dass sich die Veröffentlichung von Wing Commander IV alleine deswegen um einige Monate verspätet hat.“

Peterson ist nun CEO von Descendent Studios, einem neuen Studio in Austin, Texas. Das Gründerpersonal arbeitete vorher an Star Citizen mit, dem ambitionierten Weltraum-MMO von Petersons früherem Descent-Spielpartner Chris Roberts. Die abtrünnigen Entwickler hatten Lust, einen kleineren Actiontitel zu basteln. „Wir begannen damit, ein Spiel zu machen, dem wir den Arbeitstitel Ships that fight underground gaben“, sagt Peterson.

https://www.youtube.com/watch?v=6tgoGxBbHvU

Eine überaus vernünftige Bezeichnung, die obendrein das amüsante Akronym STFU zulässt, das im Englischen auch für die umgangssprachliche Aufforderung Shut the fuck up verwendet wird. Ausreden ließ Peterson zum Glück den Anrufer von Interplay: Die alten Rechteinhaber der Descent-Serie hatten von seinem Projekt erfahren und fragten an, ob die Entwickler vielleicht daran interessiert seien, daraus ein offizielles Descent-Spiel zu machen. Wenige Verhandlungsminuten später hatte man sich auf einen Deal verständigt.

„Wir nehmen die Originalidee und bohren sie fürs 21. Jahrhundert auf“

Jetzt also Descent: Underground, ein neues Spiel mit eben jenen Flugfreiheiten, die vor 20 Jahren für lange Netzwerknächte sorgten. Der Titel betont, dass eine gewisse Einengung beim Leveldesign dazugehört, damit die Shooter-Komponente zündet. „Du fliegst im Inneren von Asteroiden. Eine der Stärken des Originaldesigns waren die eingeschlossenen Umgebungen. Wenn du die nicht hast, ist es bei einem 6dof-Spiel echt schwierig, etwas zu treffen“, sagt Peterson.

Das Original-"Descent" von 1995.

Das Original-„Descent“ von 1995.

Auf dieser Basis wird das Spielgeschehen angereichert und modernisiert: „Wir fügen neue Dinge hinzu wie zerstörbare Wände, versteckte Geheimnisse und acht verschiedene Schiffstypen. Wir nehmen die Originalidee von Schiffskämpfen bei Ego-Ansicht und bohren sie fürs 21. Jahrhundert auf.“

Der vollständige Artikel ist am 10. März 2015 bei golem.de erschienen.