Interview mit Entwickler-Legende Sid Meier: „Der Spieler kommt zuerst“

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61 Jahre und kein bisschen müde: Entwicklerlegende Sid Meier – bekannt durch Spiele wie „Civilization“, „Pirates“ oder zuletzt „Beyond Earth“ – sprüht vor Kreativität und Leidenschaft für seinen Beruf.

Von Olaf Bleich/bpf

Obwohl er ein großer Revolutionär und Visionär der Branche ist, gibt sich der gebürtige Kanadier bescheiden und analytisch. Anlässlich der baldigen Veröffentlichung seines Strategiespiels „Starships“ am 12. März 2015 spricht er im Interview über Mikrotransaktionen, VR-Brillen, die Länge von Videospielen und das Familienleben eines Game-Designers.

T-Online.de Spiele: „Sid Meier’s Starships“ führt die Entwicklung von „Beyond Earth“ fort. Wie muss man sich die Verbindung der beiden Spiele vorstellen? Und wieso zieht es „Starships“ auf einmal ins Weltall?

Sid Meier: Die Verbindung zu „Beyond Earth“ besteht in einigen freischaltbaren Inhalten, aber gleichzeitig auch in Konsequenzen, die aus „Beyond Earth“ mitgenommen werden. Habe ich mir dort beispielsweise viele Feinde gemacht, werden diese mich zu Beginn von „Starships“ ebenfalls nicht mögen. Die Grundidee hinter „Starships“ liegt eigentlich in dem freien Zusammenbauen der Raumschiffe. Ich wollte, dass man ähnlich wie bei den Soldaten aus „Xcom“ eine Bindung zu seinen Schiffen bekommt.

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Was ist so faszinierend an der Mischung aus Raumschiffen und Strategie?

Vor der Entwicklung eines Spiels stellen wir uns immer die Frage: Welche Rolle macht darin wohl am meisten Spaß? In „Pirates“ ist es der Kapitän. In „Civilization“ der König oder Herrscher. In „Starships“ der Kommandant der Flotte. Als Kind liebte ich Filme wie „Star Trek“ oder „Star Wars“. Aber mir fehlten immer die strategischen Erklärungen dahinter. Klar, da fliegt irgendwie ein Torpedo in den Schacht und zerstört den Todesstern. Aber eine echte Taktik hatte der Angriff nicht. In „Starships“ kommandiert man die eigene Flotte und rüstet vor jeder Mission seine Schiffe aus. In den Schlachten habe ich Warplöcher oder Asteroidenfelder, die mir als taktische Mittel dienen. Alles ist selbsterklärend, aber durch den Aufbau der Karten strategisch anspruchsvoll.

„Starships“ setzt auf eine traditionelle 2D-Darstellung mit hoher Zoomstufe. Haben Sie jemals über 3D-Darstellung, Höhenunterschiede oder gar VR-Brillen nachgedacht?

Ein „Civilization“ hatte eine 3D-Ansicht mit Hilfe der rot-blauen Kinobrillen. Das war interessant, aber mehr auch nicht. VR-Brillen sind sicherlich eine spannende Weiterentwicklung für Actionspiele, aber für unser Genre nicht praktikabel. Vielleicht, wenn alle auf einmal VR-Brillen tragen, werden wir es auch als Letzte unterstützen. Über Höhenunterschiede haben wir tatsächlich nachgedacht. Allerdings geht damit das ständige Drehen und Zoomen der Kamera einher, um den besten Blickwinkel zu bekommen. Macht das Spaß? Ich glaube nicht.

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Das Spiel kommt zeitgleich für PC, Mac und iPad. Wieso hat sich Firaxis dazu entschlossen, auch eine Mobile-Fassung zu entwickeln?

Weil es funktioniert! Unsere neue Grafik-Engine eignet sich sowohl für Heimrechner als auch für iPad. In punkto Grafikqualität und Effekte müssen wir nur ganz wenige Abstriche machen. Gleichzeitig bietet sich die Touch-Steuerung einfach für ein Spiel wie „Starships“ an.

Müssen PC-Spieler nun Angst vor Mikrotransaktionen haben?

Nein! „Starships“ erscheint am 12. März 2015 für 14,99 Euro. Dafür erhält man das komplette Spiel. Ein Ingame-Bezahlsystem gibt es nicht. Durch derartige Mechanismen wird man vom Spiele-Entwickler zum Verkäufer. Man muss spezielle Barrieren in der Entwicklung einkalkulieren, die den Spieler dazu bringen, Geld zu bezahlen. Als Nutzer wiederum änderst du dein Verhalten, indem du entweder versuchst, das Programm so lange zu spielen, ehe die Bezahlschranke endgültig zuschlägt. Oder man muss sich selbst zügeln, damit man nicht in die Versuchung kommt, doch noch Geld auszugeben. So oder so hat sich durch die vielen niedrigpreisigen Spiele eine gewisse Unsicherheit und Skepsis breit gemacht, die dem Medium nicht gut tun.

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Da die Spiellänge aktuell dank „The Order: 1886“ in der Diskussion steht: Sollte ein Spiel einen Mindestumfang besitzen, und sollte dies womöglich klar deklariert werden?

Ich bin dafür! Natürlich variiert die Spiellänge abhängig vom Genre. Trotzdem sollten Spiele-Entwickler deutlich machen, was den Nutzer erwartet. In unserem Fall ist das sicherlich weniger ein Problem: Auf einer maximal großen Karte dauern Partien gerne länger als 15 Stunden. Und danach habe ich immer noch die Möglichkeit, mit anderen Charakteren oder einer anderen Grundausrichtung neu anzufangen.

Du bist am 24. Februar 2015 61 Jahre alt geworden. Gehen Spiele-Entwickler eigentlich in den Ruhestand?

Ich weiß gar nicht, ob irgendein Kollege sich schon offiziell von der Spiele-Entwicklung zurückgezogen hat. Für mich bedeutet das: Rente müsste mehr Spaß machen als mein jetziger Job. Und das sehe ich tatsächlich nicht. Nachdem mein Beruf körperlich nicht sonderlich anstrengend ist, denke ich über den Ruhestand derzeit nicht nach. Ich wüsste auch gar nicht, wie ich mir die Zeit vertreiben sollte. Ich spiele gerne Golf und höre Musik. Aber beides erfüllt mich nicht. Wahrscheinlich würde ich im Ruhestand Spiele für mich selbst entwickeln.

Wie hat die Spiele-Entwicklung das Familienleben von Sid Meier geprägt?

Mein Sohn hat Game-Design studiert und danach bei Blizzard angefangen. Ich habe also alles richtig gemacht (lacht). Spaß beiseite, ich bin sehr stolz auf ihn. Er arbeitet inzwischen bei Firaxis. Meine Frau auf der anderen Seite kann mit meinem Beruf gar nichts anfangen. Sie sagt immer, sie hat keine Zeit für so was. Gleichzeitig begeistert sie aber die Euphorie, die sie beim Zusammentreffen mit Spielern mitbekommt. „Starships“ mag sie übrigens nicht. Da wird ihr zu viel geschossen. Sie ist eher ein friedfertiger Mensch.

Weitere Informationen über Sid Meiers neues Game gibt’s in unserer Preview zu Sid Meier’s Starships.

Infos zum Spiel

Titel: Sid Meier’s Starships
Genre: Strategiespiel
Publisher: 2K Games
Hersteller: Firaxis Games
Release: 12. März 2015
Preis: zirka 15 Euro
System: PC
USK-Freigabe: Ab 12 Jahren
Einschätzung: Gut

Erschienen am 04. März 2015 bei T-Online.