E-Sport: Der Endgegner ist der Schlaf

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Sie verdienen ihr Geld mit Videospielen und werden dafür von Millionen Fans wie Stars gefeiert. Doch wie viel Arbeit steckt wirklich im Beruf E-Sportler?

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Sie sind Sportstars einer neuen Generation, nennen sich Forsen, Reynad, Savjzund Kungen. Sie sind professionelle Computerspieler, auf der Videoplattform twitch.tv erreichen sie ein Millionenpublikum. Und sie sind hundemüde.

Wir sind beim ASUS Play-it-Cool-Turnier in Köln, und sehen, wie die vier Core-Gamer an ihre Grenzen stoßen. Ihre Aufgabe: Sie sollen das Kartenspiel Hearthstone 24 Stunden am Stück spielen. Doch nach 20 Stunden ist von den sonst so begnadeten Entertainern nicht mehr viel übrig. Der gebürtige Amerikaner Andrey „Reynad“ Yanyuk gähnt, kann kaum noch die Augen offen halten. Kein Wunder, war er er doch erst am Veranstaltungstag von einem anderen Turnier aus China angereist.

Für den Betrachter mag es schwer vorstellbar sein, aber das Geschäft mit der Videospielunterhaltung geht an die Substanz. Der Schwede Sebastian „Forsen“ Fors stöhnt: „Es geht mir wirklich mies. Ich habe versucht, mich mit Unmengen Red Bull wachzuhalten. Das zahlt mir jetzt mein Körper heim.“ Aber aufgeben kommt nicht infrage. Hinter ihm stehen Tausende Fans, die ihn siegen sehen wollen. 

Keiner der vier Akteure entspricht den üblichen Klischees eines Videospielers. Keiner von ihnen ist übergewichtig oder ungepflegt, sie alle wirken fit und sportlich. Im Trainingslager allerdings waren sie nicht. „Ich habe mich überhaupt nicht vorbereitet“, sagt Forsen mit 20 Stunden Spielzeit in den Knochen. „Ich dachte, ich wäre solche Belastungen gewohnt. Aber es ist doch härter, als ich erwartet hatte.“ Für ihn war diese Herausforderung eine Geschäftsentscheidung, schließlich locken in Köln Aufmerksamkeit und ein hohes Preisgeld.

„Ich sage es ganz ehrlich: Hier spiele ich gegen drei andere Spieler an nur einem Tag für bis zu 5.000 US-Dollar Preisgeld. Darüber hinaus kann ich das Turnier live auf meinem eigenen twitch-Kanal präsentieren“, sagt er. Forsen hat mit über 170.000 Followern eine breite Anhängerschaft auf twitch. Seine Fans stehen in ständigem Kontakt mit ihm. Über den integrierten Chat stellen sie Fragen oder muntern ihn auf. Gleichzeitig können sie ihn aber auch aktiv unterstützen. Mithilfe bestimmter Twitter-Schlagworte schicken sie ihm beispielsweise neue Karten für sein Hearthstone-Deck. Der E-Sport-Anhänger wird damit Teil der Veranstaltung und nimmt selbst Einfluss auf das Geschehen.

Die Liebe der Fans manifestiert sich auch in Form von Spenden. Viele Zuschauer sind bereit, für gute Unterhaltung gutes Geld zu bezahlen. Je populärer ein Spieler, desto größer sind die Chancen auf ein geregeltes Einkommen. Sebastian Fors bestätigt: „Ich kann vom Streamen und dem Spielen in Turnieren leben. Dazu reise ich viel. Das ist mein Beruf. Und er macht Spaß.“

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Einen kleinen Einblick in seine Einnahmen gewährte „Forsen“ versehentlich im vergangenen Winter. Mit Einnahmen in Höhe von 1.400 US-Dollar an nur einem Tag gehört er zu den Großverdienern der Branche.

Ausgleichssport oder Invalidenrente

Trotz aller Begeisterung fürs Spiel, ein gewisses Maß an Grundfitness gehört zum E-Sport dazu. Das bestätigt der Niederländer Manuel „Grubby“ Schenkhuizen. Er trat in dem Online-Teamkampfspiel Heroes of the Storm in zwei Zwölf-Stunden-Schichten gegen Spieler aus der Community an. Sein Erfolgsrezept: „Nach meiner ersten Session bin ich früh ins Bett. Am nächsten Morgen habe ich mich dazu gezwungen, bereits um sechs Uhr aufzustehen. Ich habe gut gefrühstückt und bin anschließend an die frische Luft gegangen. Normalerweise gehe ich laufen oder mache Yoga. Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass mir bestimmte Übungen gut tun, damit ich auch bei langen Sessions die Konzentration behalte.“

Eine ähnliche Einstellung legt der deutsche Spieler Mathis „Jabbz“ Friesel an den Tag: „Ich mache im Fitnessstudio in erster Linie Ausdauersport. Eine gewisse Kondition gehört dazu.“ Mathis startete im Spiel Dota 2 für das schwedische Team „Lemondogs“. Für Mathis war es das erste Turnier dieser Größenordnung. Doch der digitale Sport als Beruf reizt ihn sehr: „Meine Eltern und Freunde unterstützen mich. Die sehen, dass da eine neue Sportart heranwächst. Ich möchte zunächst meine Schule beenden und dann abwarten. Im Zweifelsfall studiere ich erst mal etwas Leichtes, damit ich nebenbei weiter im E-Sport aktiv sein kann.“

Sebastian Fors sieht einen klaren Unterschied zwischen Turnierspielern und twitch-Streamern: „Ich muss sagen, dass ich schlechter geworden bin, seitdem ich mich auf Streams konzentriere. Du musst anders an die Spiele herangehen, musst die Leute unterhalten und mit ihnen interagieren. Da bleiben manchmal die eigenen Fähigkeiten auf der Strecke.“

Der vollständige Artikel ist am 04. Mai 2015 bei Zeit Online erschienen.