„The Witcher 3: Wild Hunt“: Eine großartige Rollenspiel-Odyssee

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Ist das Action-Rollenspiel des polnischen Spielstudios CD Projekt Red das erhoffte Meisterwerk?

Von Olaf Bleich/bpf

Er erschlägt Ghule, Oger und Trolle. Doch lange Zeit zierte sich Geralt von Riva, der Protagonist des Action-Rollenspiels „The Witcher 3: Wild Hunt„, wirklich auf die Bühne zu treten. Nach gleich zwei Release-Verschiebungen gab es im Vorfeld einige Bedenken, ob sich das polnische Entwicklerstudio CD Projekt Red mit seinem ambitionierten XXL-Abenteuer womöglich übernommen hat. Doch nun endlich erscheint das Spiel am 19. Mai 2015 für PC, PS4 und Xbox One. War der Hype im Vorfeld berechtigt? Das können wir jetzt bestätigen: Der Test der finalen PS4-Version beweist, dass The Witcher 3: Wild Hunt genau das epochale Fantasy-Märchen geworden ist, das sich alle erhofft haben.

The Witcher 3: Von Krieg, Rassismus und Chaos

Die Welt von The Witcher 3: Wild Hunt ist alles andere als der perfekte Urlaubsort. Der Konflikt zwischen den Nördlichen Königreichen und den Truppen des Nilfgaarder Kaisers Emhyr zerfrisst das Land wie ein Krebsgeschwür. Wo auch immer man hinschaut, es regieren Gewalt und Egoismus. Geralt von Riva scheint das zunächst egal zu sein. Gemütlich fläzt er zu Beginn des Spiels in einer Badewanne im Hexer-Anwesen in Kaer Morhen. Neben ihm räkelt sich seine Freundin Yennefer lasziv auf einem Stuhl. Von draußen tönen Kampfgeräusche. Geralts Mündel Ciri trainiert dort gemeinsam mit ihrem Onkel Yesemir und feilt an ihren Fähigkeiten. Das Leben ist gut. Zumindest für diesen kurzen Moment.

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Doch das ist alles nur eine Illusion. Schnell holt die Realität den weißhaarigen Helden wieder ein: Ciri und Yennefer verschwinden spurlos. Der Grund dafür: Die Wilde Jagd – eine Macht, die den Weißen Wanderern aus „Game of Thrones“ ähnelt – zieht durchs Land und sorgt für Angst und Schrecken. Geralt bricht auf, um seine Familie zu finden – und vielleicht auch, um die Nördlichen Königreiche zu einem besseren Ort zu machen.

Die unendliche Geschichte

Das Action-Rollenspiel zeichnet ein finsteres Fantasy-Märchen, gespickt mit spannenden Geschichten und ebenso erwachsenen Themen. Geralt ist nicht der Ritter in schimmernder Rüstung oder gar der Heilsbringer. Die Menschen stehen dem auffälligen Monsterjäger zumeist feindlich gegenüber. Sie beschimpfen ihn, greifen ihn sogar an. Intoleranz und Fremdhass sind die vorherrschenden Motive in The Witcher 3. Es ist also kein Wunder, dass Geralt zunächst nur auf sich selbst und seine Lieben achtet.

Die Hauptgeschichte erstreckt sich über weit mehr als 25 Spielstunden und führt ihn durch eine riesige, detailreiche Spielwelt – größer noch als in GTA 5 oder Far Cry 4. Wenn man The Witcher 3: Wild Hunt eine Sache hoch anrechnen muss, dann die Tatsache, dass die Quests weit mehr sind als bloße Lückenfüller. Das Spiel umschifft gekonnt Rollenspielklischees und verzichtet ganz bewusst auf stupide Sammelaufgaben. Stattdessen verleiht das grandiose Drehbuch jeder noch so kleinen Aufgabe einen Sinn. Ganz egal, ob Geralt eine Horde saufender Skelliger aus einem Bordell vertreibt, mit Bauern boxt und um die Wette reitet oder gar für die Zauberin Keira Metz auf der Reuseninsel nach dem Rechten schaut – sämtliche Quests besitzen Tiefe und vor allem interessante Charaktere. Das sorgt dafür, dass man mit jeder Spielstunde immer tiefer in die Welt von The Witcher 3: Wild Hunt eintaucht.

Monsterjäger bei der Arbeit

Abseits der ebenso spannenden wie motivierenden Haupthandlung gibt es in dem Rollenspiel-Abenteuer allerhand zu tun: Neue Aufgaben entdeckt man entweder beim Erkunden der Gebiete oder an Aushangbrettern. Hier schnappt sich Geralt auch die vielleicht intensivsten Missionen des Spiels: die Hexer-Aufträge. Diese erinnern an eine Mischung aus Sherlock Holmes und Bloodborne. Geralt geht hier nämlich auf Monsterjagd. Dazu plaudert er zunächst mit Zeugen, untersucht dann mithilfe seiner Hexersinne den Tatort und folgt anschließend der Spur zum finalen Kampf.

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Sonderlob: Das Bestien-Design von The Witcher 3: Wild Hunt ist absolut fantastisch und sorgt beim Spielen immer wieder für einen wohligen Schauer. Geisterhafte Erscheinungen zerfallen förmlich vor Geralts Augen in ihre unsterblichen Einzelteile, während Greifen und Unholde sich majestätisch und bedrohlich vor dem Hexer aufbauen und ihm voller Inbrunst entgegenbrüllen.

Das Kampfsystem des Abenteuerspiels erweist sich als komplex, aber dennoch handlich. Geralt trägt nämlich praktischerweise zwei Schwerter mit sich herum: Die Stahlklinge für Menschen oder Tiere wie Wölfe und Bären, und das Silberschwert für Monster. Dazu benutzt er fünf aus dem Vorgänger bekannte Zeichen und stößt so beispielsweise Feinde zurück, bannt sie in einer magischen Falle oder fackelt sie mit einer Feuerwelle ab. Öle und Tränke dienen weiterhin zum kurzfristigen Stärken des Helden und sind gerade in Monstermissionen ausgesprochen wichtig. Alle Feinde besitzen spezielle Eigenschaften, reagieren auf manche Aktionen besonders anfällig oder sind wiederum gegen andere vollkommen immun.

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Besonders die späteren Hexer-Aufträge erfordern ein solides Maß an Taktik und gute Fähigkeiten am Gamepad. Bloßes Button-Mashing führt vielleicht bei einer lahmen Horde Ertrunkener zum Erfolg, doch ein Feuertroll macht selbst mit einem gut ausgebildeten Geralt kurzen Prozess. Das Kampfsystem stellt sich als einsteigerfreundlich, aber auch komplex genug heraus, um über die vielen Spielstunden zu überzeugen. Prügelt man anfangs noch wild auf Feinde ein, versucht man sich später an Kombo-Attacken oder wilden Zauber- und Angriffsstafetten.

Der vollständige Artikel ist am 18. Mai 2015 bei T-Online erschienen.