„Ein fairer Deal“

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Interview mit Eric Hirshberg, CEO von Activision.

Von Benjamin Kratsch/bpf

Vor dem Jahr 2011 war Eric Hirshberg schon alles, nur kein Vorstandschef. Er hat für
Meister-Regisseur David Lynch eine Kampagne zu „Twin Peaks“ entworfen und die
Kunstfigur „Kevin Butler“ für PlayStation kreiert, der zwischen 2011 mal „Director of
Rumor Confirmation“, „Vice President of Explosions“ oder „President of Big Action
Moments“ war. Er hat für John Kerry, den heutigen Außenminister der USA gearbeitet
und für Barack Obama mit seinem Team bei DeutschInc die virale Kampagne
Conservatives for Change“ entwickelt, in der Republikaner erklären, warum sie zum
ersten Mal die Demokraten gewählt haben. Heute ist Eric Hirshberg der CEO von
Activision. Mit IGM spricht er über seinen sehr fokussierten Management-Stil, warum
eine TV-Serie dem „Skylanders“-Franchise eher schaden könnte, CEOs Gamer sein
sollten und „Call of Duty“ keinen Hollywood-Blockbuster braucht.

IGM: 175 Millionen verkaufte Spielzeuge, über 1,5 Milliarden Euro Umsatz – und das nach nur drei Jahren im Markt. Haben Sie manchmal Angst, dass „Skylanders“ das gleiche Schicksal widerfahren könnte wie „Guitar Hero“?

Eric Hirshberg: Ich war damals noch nicht bei Activision, kann „Guitar Hero“ also nur aus einer gewissen Distanz bewerten. Als Präsident von DeutschInc, einer großen Marketing Agentur, habe ich damals eher Werbespots für Getränkemarken und Hollywood kreiert und weniger im Spiele-Bereich gearbeitet. Ich war aber schon immer Gamer, insofern kann ich nur von meiner eigenen Erfahrung sprechen. Die Gitarren waren cool, das war ja schon ein echter Hype. Allerdings bin ich auch Musiker, habe mal mehr oder weniger erfolgreich ein Album auf den Markt gebracht und ich fand die Gitarren nicht wertig genug. Als Manager würde ich dazu sagen: Klar, man musste den Preis unten halten, sonst hätte die Marge nicht funktioniert. Aber als Spieler war das irgendwann nicht mehr genug. Zudem ist die Marke ausgebrannt – das kann uns mit „Skylanders“ nicht passieren.

IGM: Was macht Sie da so sicher?

Hirshberg: Wir fassen „Skylanders“ als Marke ganz anders an, weil unsere Zielgruppe eine andere ist. Jeder Vater und jede Mutter wird mir vermutlich zustimmen, dass Kindern sehr schnell langweilig wird. Deshalb sind Marken wie Lego so unfassbar erfolgreich, weil man damit immer wieder neue Abenteuer erleben kann. Das zwingt uns zu Innovation, unser Job ist es, dass Kinder „Wow!“ sagen. Und das werden sie, wenn sie das neue „Trap Team“-Portal das erste Mal auspacken und die heißgeliebte Figur plötzlich anfängt mit ihnen zu sprechen.

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IGM: Der Drache, der in einer Ihrer Präsentationen je nach Situation etwas anderes sagt, war durchaus spannend. Wie sind Sie intern darauf gekommen?

Hirshberg: Die Skylanders sind ja Charaktere, die den Speicher- und Erfahrungsstand via RFIDTechnologie in der Spielfigur speichern. Mein Sohn Luke nimmt seine Figuren beispielsweise sehr gerne mit zu seinem Kumpel, der Charakter ist ihm also durchaus wichtig. Ich denke, die „Skylanders“ sind für Kinder mehr als nur Spielzeug, sie sind vergleichbar mit Kuscheltieren. Zu denen entwickeln Kids ja auch eine ganz besondere Beziehung, daher haben wir uns gedacht: Hey, wäre doch cool, wenn die sprechen könnten. Sprechende Actionfiguren oder Kuscheltiere sind jetzt nichts Neues, aber sie haben in der Regel nur ein paar Sätze drauf. Bei uns ist die Soundausgabe hingegen auf die Situation zugeschnitten, wir haben also sehr viel mehr Samples aufgenommen. Zudem bietet „Trap Team“ die Möglichkeit, Gegenspieler gefangen zu nehmen und ihre Spezialfähigkeiten in Spielzeugkristallen zu speichern. Nehme ich jetzt den Chompy-Magier gefangen, wimmert der wieder freigelassen zu werden und sobald er merkt, dass das nicht funktioniert, verlangt er zumindest eine ihm angemessene Behausung. Kinder haben so das Gefühl, die Figur würde wirklich mit ihnen reden.

IGM: Drei neue Spielfiguren plus Portal kosten im Paket rund 75 Euro. Wer alle neuen Charaktere plus die Spielzeugkristalle zum Gefangennehmen von Gegnern haben möchte, muss weiter investieren. Eltern dürften schon mal ihre Portemonnaies festhalten…

Hirshberg: Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen,aber ganz ehrlich: Sind Sie Papa? Lego-Polizeistationen, Playmobil-Ritterburgen oder Actionfiguren kosten auch Geld. Und wenn sich ein Kind zu Weihnachten eine Polizeistation wünscht, möchte es vielleicht ein paar Monate später auch noch ein Feuerwehrauto, um dort einen Brand zu löschen. Da gibt es Verletzte, die soll ein Rettungshubschrauber ausfliegen, und so weiter. Ein Spielzeug ist also in fast allen Serien erst der Anfang einer Sammelleidenschaft. Zudem bringen die Kristalle ja sehr viel Spielspaß und vor allem kostenlose Charaktere: Wer einen bösen Skylander fängt, kann sich auf Knopfdruck beispielsweise in einen Panzer mit Kettensäge für höheren Umgebungsschaden verwandeln. 40 zusätzliche Charaktere lassen sich so freischalten, völlig ohne die Spielfiguren kaufen zu müssen. Ein fairer Deal, wie ich finde.

IGM: Sie haben einen sehr fokussierten Management-Stil. Während Ubisoft gerade in Montreal eine komplette Film-Division aufgebaut hat und massiv in Hollywood Blockbuster zu großen Marken wie „Splinter Cell“ und „Assassin’s Creed“ investiert, stellen Sie sich kategorisch gegen TV-Serien zu „Skylanders“ oder einen „Call of Duty“-Film. Warum?

Hirshberg: Spiele haben eine gewisse Magie, Filme haben eine gewisse Magie. Aber ich bin nicht davon überzeugt, dass beides gleichermaßen im anderen Medium funktioniert. Das mag jetzt merkwürdig klingen, aber versetzen wir uns mal in ein Kind: Das hört, wie sein Skylander zu ihm spricht und geht davon aus, dass der nur zu ihm diese Worte sagt. Eine TV-Serie würde diese Illusion kaputt machen und ihm vielleicht den Spaß an seinem Spielzeug nehmen. Ich opfere gerne kurzfristige Gewinne, um die Langlebigkeit einer Marke und den Spielspaß meiner kleinen und großen Kunden zu sichern.

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IGM: Ist das eigentlich ein Thema, das Sie Ihren Anlegern gegenüber argumentieren müssen?

Hirshberg: Activision ist ein sehr gesundes Unternehmen, wir verzeichnen Wachstum in fast allen Bereichen. „Skylanders“ ist aktuell das Spiel, was historisch gesehen am schnellsten die Marke von zwei Milliarden US-Dollar überschritten hat. Es ist nicht so, dass wir uns ausruhen würden – es gibt mittlerweile eine ganze Merchandising- Linie von Kuscheldecken über Stofftiere bis hin zu gebrandeten Kopfhörern. Und Sie werden im ganzen Entertainment-Segment kaum Firmen finden, die mehr Milliarden-Marken haben als wir. Ich schätze, wir machen einiges richtig (lacht).

Das komplette Interview mit zusätzlichen Infokästen ist in IGM 07/14 erschienen.