First Look zu „Mordor’s Schatten“: Tolkien auf die harte Tour

t-online_kleinER

Mittelerde steht nicht nur im Kino hoch im Kurs: Dieses vielversprechende Action-Spektakel zeigt Tolkiens Fantasy-Welt aus einer neuen Perspektive.

Von Heinrich Lenhardt

Die fiktive Welt Mittelerde des englischen Akademikers und Schriftstellers J. R. R. Tolkien prägt seit Jahrzehnten das gesamte Fantasy-Genre. Die erste offizielle Computerspiel-Adaption „The Hobbit“ erschien 1982 für C64, Sinclair Spectrum und andere 8-Bit-Maschinen. Mit diesem niedlichen Text-Adventure wird man das neueste Mittelerde-Game aber ganz bestimmt nicht verwechseln: „Mittelerde: Mordors Schatten“ ist ein grafisch aufwendiges Action-Adventure, das sich an modernen Offene-Spielwelt-Hits wie „Batman: Arkham City“ oder „Assassin’s Creed“ orientiert. Entwicklerstudio Monolith (bekannt durch die „F.E.A.R.“-Serie) lässt sich dabei auch etwas Neues einfallen: Ein „Nemesis“ getauftes, nicht-lineares Spielsystem verspricht persönliche Erzfeindschaften mit Führungskräften in Saurons Armee.

mordor01

Dank Geisterwelt zum Superheld

Nicht nur Peter Jackson erlaubt sich bei seinen Verfilmungen des Tolkien-Werks künstlerische Freiheiten. Das neue Mittelerde-Spiel folgt weder „Hobbit“ noch „Der Herr der Ringe“, sondern verlagert das Geschehen in eine Zeitperiode zwischen den beiden Büchern, um eine eigenständige Geschichte zu erzählen. Ranger Talion ist ein ungewöhnlicher Held, der sich den Körper mit einem Rachegeist teilt. Durch diesen Kniff dürfen sich die Spieldesigner übermenschliche Kräfte und Sonderfähigkeiten erlauben, die Talion beispielsweise zum Meister im Schleichen machen. Mit seinem Dolch murkst er nichts ahnende Gegner klammheimlich ab oder spickt sie mit Pfeilen aus seinem Bogen. Auch im offenen Nahkampf kann Talion bestehen und schwingt gekonnt sein Schwert gegen ganze Feindeshorden, weicht per Konter-Taste Angriffen aus und reiht Trefferketten aneinander, um dann mächtige Kombos auszulösen.

Feinde machen sich nützlich

Die Choreographie der Kämpfe erinnert an die „Batman: Arkham“-Spiele von WB Games. In Third-Person-Ansicht werden einfache Tasteneingaben in geschmeidige Kampfmanöver umgesetzt. Talion kann einen Gegner ergreifen, als Schild missbrauchen oder ihn durch die Gegend werfen. Besonders spektakulär wird es, wenn der Geisterheld es mit einem Dutzend Orks gleichzeitig aufnimmt. Schießbudenfiguren sind aber mitnichten alle Gegner: Um gegen stärkere Feinden bestehen zu können, ist schon etwas Angriffsplanung nötig. Also müssen Informationen zu Stärken und Schwächen der Ork- und Uruk-Anführer her. Dazu schnappen Sie sich am Ende einer Schlacht einen Überlebenden und dominieren ihn per Geisterblick. So erhalten Sie wertvolle Informationen über die Eigenheiten höherrangiger Uruks und können sogar den Gefangenen wieder in die Spielwelt entlassen, damit er später an Talions Seite kämpft.

mordor02

Mordor mal heiter bis freundlich

Das reizvolle an dem Szenario: Es zeigt eine der bekanntesten Regionen Mittelerdes von einer ganz neuen Seite. Mordor haben wir aus dem Film „Die Rückkehr des Königs“ als düstere öde Hochburg des Bösen in Erinnerung. Ausgerechnet in der guten Stube von Sauron musste der Eine Ring im Feuer des Schicksalssberges vernichtet werden. Die Spielhandlung ist rund sechs Jahrzehnte vor diesen Ereignissen angesiedelt. Der Schicksalsberg-Vulkan ist noch nicht ausgebrochen, die Landschaft wirkt natürlicher und abwechslungsreicher. Es ist ein raues Land, in dem Orks ebenso wie Menschen zuhause sind. Das Spiel beginnt mit der Eroberung Mordors durchs Saurons Streitkräfte: Beim Marsch durch das Schwarze Tor wird Talion getötet, nur der geheimnisvolle Geist erweckt ihn wieder zum Leben.

Das dürfen Sie persönlich nehmen

Talions Rachedurst bekommen vor allem die Uruks von Saurons Armee zu spüren. Dabei handelt es sich um Tageslicht-resistente Abkömmlinge der Spezies Ork. Um deren Anführer aus der Reserve zu locken schnetzelt sich unser Held durch mehrere Führungsebenen der Uruk-Hierarchie. Deren Mitglieder sind Persönlichkeiten mit Namen, Stärken, Schwächen und Aufgaben. Nicht nur unser Held, sondern auch seine Widersacher absolvieren Missionen und werden im Spielverlauf allmählich stärker.

mordor03

Innovativ: Das Nemesis-System

Und manchmal gibt es ein Wiedersehen: Erkennt ein Uruk Talion von einem früheren Kampf wieder, erinnert er sich in einer kurzen Ansprache an die letzte Begegnung (und hat womöglich eine dauerhafte Narbe als Souvenir behalten). Diese persönliche Erzfeindschaften entstehen dynamisch durch die Aktionen und Entscheidungen des Spielers. Dieses „Nemesis“-System steht im Mittelpunkt des offenen Sandbox-Gameplays, bei dem Sie die einzelnen Zonen von Mordor erkunden und auf Uruk-Jagd gehen. Zusätzlich gibt es Story-Missionen, die durch Auftritte von Mittelerde-Prominenz wie Gollum versüßt werden sollen.

Was uns gefällt

Die Massenschlachten geben grafisch jetzt schon einiges her und die Persönlichkeitsdetails der Gegner versprechen einen ganz besonderen Reiz. Wird Talion mal im Kampf besiegt, kann er sich nach der Reinkarnation auf die Jagd nach dem Uruk machen, welcher ihm den Todesstoß versetzte. Dazu kommt eine neue Story, die zu einem spannenden Zeitpunkt in der Geschichte Mittelerdes angesiedelt ist: Sie erleben Saurons Einmarsch in Mordor mit und sehen die Region in ihrem natürlichen Zustand.

Was uns nicht gefällt

Kommt bei dem Action-Spektakel womöglich das „Herr der Ringe“-Flair zu kurz? Die Spielentwickler geloben zwar Respekt vor der Vorlage, aber auf Tolkien-Traditionalisten könnte Held Talion mit seinen Geister-Superfähigkeiten zu abgedreht wirken.

mordor04

Fazit

Mittelerde mächtig modern: Von der Kampfsteuerung bis zur Betrachterkamera guckt sich Mordors Schatten einiges bei zeitgenössischen Stealth- und Actionhits mit offener Spielwelt ab. Sehr vielversprechend ist die Dynamik des Sandbox-Spielbetriebs – Gegnerwahl und Kampftaktik verheißen Originalität und Langzeitmotivation.

Infos zum Spiel

Titel: Mittelerde: Mordors Schatten
Genre: Action-Adventure
Publisher: WB Games
Hersteller: Monolith Productions
Release-Termin: 2014
Preis: Noch nicht bekannt
System: PS3, PS4, Xbox 360, Xbox One, PC
USK-Freigabe: Noch nicht bekannt
Eindruck: Sehr gut

Erschienen am 06. Januar 2014 bei T-Online.