Erfolgreiche Simulationspiele: Heute ein Bauer
Sie pflügen Felder, steuern eine Boeing durch die Luft oder einen Zug zum nächsten Bahnhof. Alltagssimulationen ohne Action und Geballer faszinieren ein Millionenpublikum. Warum eigentlich?
Von Benedikt Plass-Fleßenkämper
Es gibt erfolgreiche Computerspiele, millionenfach verkauft, die in der üblichen Berichterstattung über die Hochglanzprodukte der Branche kaum eine Rolle spielen. Darin verlegt man Gleise, pflügt Felder oder fährt Linienbusse.
Alltagssimulationen sind keine Nischenprodukte für Nerds mehr: Allein der „Landwirtschafts-Simulator 2013“ (kurz: „LS“) hat sich nach Angaben des Schweizer Entwicklers Giants Software 1,25 Millionen Mal verkauft – vor allem in Deutschland. Er ist nicht nur für die klassische Simulationsplattform, den PC, erhältlich, sondern auch für Mac und seit kurzem für Konsolen und Smartphones.
Der „Farming-Simulator“, wie er international heißt, stellt nur die Speerspitze eines Boom-Marktes dar. Waren vor 20 Jahren Simulationsspiele wie der Städtebau-Klassiker „SimCity“ noch eine recht exklusive Angelegenheit, existieren heute Simulationen für viele Berufsgruppen, deren Jobs weit weniger aufregend sind als der eines Stadtplaners.
Baggern statt Ballern
Sie sind Busfahrer, Trucker und Flugzeugpilot, bauen Zugstrecken, beackern Felder und reißen alte Gebäude ab: Simulationsspieler haben ganz eigene Vorstellung davon, was ihnen an einem Computerspiel Spaß macht. Es ist nicht die Nonstop-Action eines „Call of Duty“, nicht der Fantasy-Eskapismus eines „Skyrim“ oder die offene Anarcho-Welt von „GTA V“. Vielmehr geht es darum, eine möglichst originalgetreue Abbildung der Realität zu genießen und Tätigkeiten, die faszinieren, in digitaler Form auszuüben. Und das bitte ohne Stress, Leistungsdruck und Gewalt, wie „DocMoriarty“ im offiziellen Forum von Giants Software erklärt: „Gerade der LS stellt so eine Art heile Welt dar, in der man entspannen und auch nicht verlieren kann.“
Ähnlich sieht das „matador“: „Die Tiere werden artgerecht gehalten und keines muss sein Leben lassen. Den Hühnern werden nur die Eier, den Schafen die Wolle und den Kühen die Milch abgenommen. Kein Geballere und keinen Gegner abschießen, wie in vielen anderen Computerspielen.“ Ein weiterer Pluspunkt ist für die Fans der hohe Grad an Abwechslung. „Ich finde die große Spannweite der Simulatoren genial“, sagt User „Ösi“ im Forum von simuwelt.de. „Es ist für jeden etwas dabei, von supereinfach zu bedienen bis hin zu etwas kniffligeren Simulationen. Nicht zu vergessen: der sehr hohe Fun-Faktor. Da ist es dann auch egal, wenn die Grafik mal nicht so toll ist.“
Große Chance für kleine Entwickler
Auf aufwendige Optik muss man bei den Berufssimulationen nämlich meist verzichten, werden sie in der Regel doch von kleinen Teams programmiert. Vor allem für osteuropäische Studios wie SCS Software, deren „Euro Truck Simulator 2“ die Steam-Charts stürmte, sind Simulationen eine Chance, um mit niedrigen Produktions- und Personalkosten gutes Geld zu verdienen.So sagt SCS-Chef Pavel Sebor der US-Seite Gamasutra: „Wir haben unsere Spiele stets mit Teams von weniger als zehn Leuten produziert – verglichen mit der ‚GTA‘-Serie oder dem ‚Gran Turismo‘-Entwicklerteam sind wir winzig.“
Wer spielt Simulationen? Nicht selten Menschen, die eine gewisse Affinität zu den simulierten Berufen mitbringen. Wie „HGReaper“, der im „LS“-Forum schreibt: „Ich bin selbst mit Leib und Seele Landwirt und spiele den LS, weil man im Spiel Möglichkeiten hat, die der Arbeitsalltag nicht hergibt.“
Thomas Frey, Art Director bei Giants Software, möchte sich nicht auf eine fixe Zielgruppe festlegen, bestätigt aber, dass viele Spieler einen Berufsbezug haben. „Ein klares Profil gibt es eigentlich nicht. Es gibt aber Gruppen von Spielern, die deutlicher als andere in Erscheinung treten. Zum Beispiel Leute mit persönlichem Bezug zur Landwirtschaft und auch Kinder.“ Die Ansprüche und Wünsche seien dementsprechend unterschiedlich.
Der Erfolg von qualitativ gelungenen Alltagssimulationen wie dem „LS“ hat etliche Nachahmer auf den Plan gerufen. Das fängt bei dreisten Kopien wie „Der Landwirt 2014“ an und geht weiter bei mehr oder weniger originellen Spielen wie dem „Holzfäller-Simulator 2013“, dem „Spreng- und Abrisssimulator“ oder dem „Kehrmaschinen-Simulator 2011“. Zudem sind in den vergangenen Jahren etliche noch kuriosere Simulationen erschienen, darunter der „Bungee Jumping Simulator“ oder das skurrile Chirurgie-Spiel „Surgeon Simulator 2013“.
Die aktuell wohl absurdeste „Simulation“ dürfte allerdings das Gratisspiel „Totally Accurate Toilet Simulator“ sein. Dieses, man befürchtet es schon fast, simuliert den täglichen Gang zur Toilette – Furz-Samples und das Geräusch der Wasserspülung inklusive.