„Forza Motorsport 5“ im Test: Schöner, schneller, Forza!

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Ein Spektakel für Racing-Enthusiasten, das den Kauf der neuen Xbox One fast schon rechtfertigt.

Von Olaf Bleich

Der Launch der Xbox One ist gelungen: Microsoft verkündete unlängst stolz, dass bereits mehr als eine Million Konsolen verkauft wurden. Neben der neuen Hardware gibt es für viele Gamer einen bestimmten Grund, sich die Next-Gen-Konsolebereits zum Start anzuschaffen: Die exklusive Rennsimulation „Forza Motorsport 5“ von Entwickler Turn 10. Sie ist aktuell nicht nur in Sachen Grafik das beste Pferd im Spiele-Portfolio für die Xbox One, sondern setzt auch spielerisch vor allem durch die großartige Fahrphysik und die Cloud-Anbindung samt der darauf basierenden „Drivatar“-Technologie Akzente.

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Forza 5: Ein Fest für Autonarren

Forza Motorsport 5 startet dramatisch und mit einem Hauch von Pathos: Moderator Jeremy Clarkson preist die Erfindung des Automobils als eine der großen Errungenschaften der Menschheit an und entlässt Rennsportfans anschließend in das Spiel. Die Wagen sind hier die Stars. Und daher stehen die PS-Boliden auch ganz klar im Vordergrund. Im Showroom bestaunen Enthusiasten jede kleinste Schraube, begutachten das Cockpit oder werfen einen Blick unter die Motorhaube.

Flexibler Schwierigkeitsgrad

Die Rennsimulation richtet sich glücklicherweise nicht nur an erfahrene Fans der „Forza“-Reihe, sondern ist für Einsteiger ebenfalls bestens geeignet. Funktionen wie Bremshilfen, eine dynamische Ideallinie und verschiedene Schwierigkeitsgrade erleichtern Ihnen den Einstieg in Spiel und Karriere. Mit Letzterer beginnt Forza Motorsport 5 für Solospieler. Allerdings erweist sie sich als weitaus konservativer, als man es von einem Next-Generation-Spiel erwarten könnte. Hat man hier erst einmal die Einstiegsrennen hinter sich gebracht, kann man zwischen acht Rennverbänden hin und her springen. Mit jedem beendeten Rennen erhalten Sie Erfahrungspunkte zum Freischalten neuer Fahrzeuge. Sogenannte Affinitätspunkte steigern die Prämien bei bereits mehrfach gefahrenen Automarken, und mit Credits kauft man neue Karossen ein.

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Mäßiger Umfang

Der Fuhrpark ist mit 200 – teils exotischen – Autos umfangreich, aber deutlich kleiner als noch beim Vorgänger. Und gegen ein Gran Turismo 6 mit über 1200 Boliden sieht Forza 5 kein Land. Dies betrifft auch die recht magere Streckenauswahl mit nur 14 Kursen, darunter unter anderem der hügelige Bathurst Mount Panorama Circuit in Australien, die Ardennenstrecke von Spa-Franchorchamps, der GP-Kurs von Silverstone und der Stadtkurs von Prag. Trotz vieler unterschiedlicher Kursvarianten sieht man sich gerade in der Karriere schnell an den immer gleichen Kulissen satt. Schade zudem, dass es in Forza Motorsport 5 keine dynamischen Wetterwechsel oder gar Nachtrennen gibt. Da bieten andere Titel weitaus mehr Vielfalt fürs Geld. Dafür punktet Forza 5 mit unzähligen Tuning-Teilen, umfangreichen Werkstattoptionen und vielfältigen Designoptionen der eigenen Fahrzeuge.

Teure Extras

Apropos Geld: Grundsätzlich ist es in Forza Motorsport 5 möglich, alle Fahrzeuge mit ehrlich verdienten Credits zu erwerben. Das klappt auf dem regulären Weg durch erspielte Erfolge sogar mit vernünftigem Zeitaufwand. Wer diesen Prozess aber beschleunigen möchte, greift kurzerhand zur Kreditkarte. Mit sogenannten Gutscheinen („Tokens“) kauft man beispielsweise Erfahrungs-Boosts oder einfach ganze Autos.

Hier schießt Microsoft allerdings weit über das Ziel hinaus: Kosten 100 Gutscheine noch vertretbare 1 Euro, schlagen Edelkarossen wie der Ferrari 250 GTA mit 60 und Formel-1-Boliden sogar mit bis zu 70 Echtgeld-Euro zu Buche. Hier geht die Relation zweifelsohne flöten. Gerade in Anbetracht dessen, dass man ja bereits 70 Euro für das Spiel bezahlt hat und weitere bereits angekündigte DLCs mit rund zehn Euro das Stück eine teure Angelegenheit sind. Allerdings sind die Preise davon abhängig, welche Token-Pakete man sich dafür anschafft, während man die DLC-Erweiterungen kostengünstiger durch den Erwerb eines „Season Pass“ erwerben kann.

Auf der Piste eine Klasse für sich

Doch genug gemeckert: All diese Macken im Lack von Forza Motorsport 5 vergisst man schnell wieder, sobald man im Cockpit seines Lieblingswagens Platz genommen hat. Denn die Rennsimulation sieht einfach atemberaubend gut aus und spielt sich noch besser als ihre Vorgänger. Entwickler Turn 10 feilte vorsichtig an der Fahrphysik, sodass sich selbst kleinste Veränderungen in der Achslast oder das Durchdrehen der Reifen in Kurven auf das Spielgefühl auswirken. Dank der Impuls-Trigger des Xbox One-Controllers spüren Sie es nun überdeutlich, wenn Sie über die Curbs holpern oder der Wagen anfängt auszubrechen, wenn man zu früh Gas gibt. Auch Lastwechsel werden endlich einmal realistisch dargestellt.

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Die Steuerung ist butterweich und vor allem in den höchsten Schwierigkeitsstufen angenehm fordernd. Das Geschwindigkeitsgefühl kommt bei Boliden wie dem 2013 Ariel Atom 500 V8 geradezu berauschend rüber und wird durch die herrlich detailreiche Optik noch einmal unterstrichen. Deshalb sollte man achtgeben und möglichst wenig Crashs bauen: Die hochauflösende Schadendarstellung macht nicht nur jede Beule und jeden Kratzer sichtbar, auch das Fahrverhalten wird spürbar tangiert. Zudem sorgt die splittende Scheibe dafür, dass die Sicht stark leidet. Allzu gnadenlose Crashpiloten können natürlich die Rückspul-Funktion benutzen, doch deren Einsatz würdigt das Spiel mit einem spürbaren Credit-Abzug.

Täuschend menschliche Computer-Kontrahenten

Einher mit dem hervorragendem Streckendesign geht das innovative „Drivatar“ -Gegnerverhalten: In Forza Motorsport 5 treten Sie nämlich nicht gegen seelenlose KI-Raser an, sondern gegen Abbilder anderer Spieler. Das Programm analysiert die eigene Fahrweise – etwa die Risikobereitschaft beim Überholen – und kreiert daraus ein KI-Verhalten. Dadurch fühlen sich die Widersacher im neuen Forza natürlicher an als in anderen Rennspielen. Sie machen Fehler, fahren nicht stoisch auf der Ideallinie und rempeln einen auch mal aus dem Weg.

Die Daten werden übrigens vor jedem Rennen aus der Cloud heruntergeladen. Die Qualität der Gegner kann man sich dabei aussuchen, zehn verschiedene Schwierigkeitsgrade stehen zur Verfügung. Eine herrlich innovative Art, die Rennen noch intensiver und variabler zu gestalten. Obwohl gerade die Karriere nur eine Aneinanderreihung verschiedener Rennen ist, motiviert Forza Motorsport 5 dennoch mit seiner ungeheuren Spieltiefe und den packenden Rennen. Hier geht es nicht um Show, sondern nur um das Fahrgefühl und den Genuss an der Geschwindigkeit.

Was uns gefällt

Das Fahrzeugmodell von Forza Motorsport 5 ist Weltklasse. Das Fahrgefühl ist ungeheuer intensiv und erzeugt in Kombination mit der aufwendigen und absolut ruckelfreien Full-HD-Grafik ein erstaunliches Geschwindigkeitsgefühl. Dank vielfältiger Optionen finden sich hier Einsteiger und Profis gleichermaßen gut zurecht.

Was uns nicht gefällt

Das Bezahlsystem ist eine Zumutung – einzelne Luxuskarossen bietet Turn 10 viel zu teuer an. Außerdem stören die geringe Streckenauswahl sowie der im Vergleich zum Vorgänger reduzierte Fuhrpark. Kein Regen, kein Schnee, keine Nachtrennen – das macht ebenso wenig Spaß wie die trotz Festplattenablage viel zu langen Ladezeiten.

Fazit

Der aktuelle Kaufgrund für die Xbox One: Forza Motorsport 5 zeigt eindrucksvoll, was in der nächsten Konsolengeneration möglich ist. Besonders Elemente wie die Drivatare und das starke Fahrverhalten machen hier den Unterschied aus. Obendrein ist die Grafik zum Anbeißen. Da kann man es verschmerzen, dass Old-Gen-Titel wie „Gran Turismo 6“ einen deutlich größeren Umfang bieten.

Infos zum Spiel

Titel: Forza Motorsport 5
Genre: Rennspiel
Publisher: Microsoft
Hersteller: Turn 10
Release: Im Handel
Preis: zirka 70 Euro
System: Xbox One
USK-Freigabe: Ab 0 Jahren
Wertung: Sehr gut

Erschienen am 25. November 2013 bei T-Online.