Remakes von Spieleklassikern: Aufmarsch der Untoten

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Nostalgie oder lohnende Reboots? Die Spiele „Elite“ und „Shadowgate“ werden neu aufgelegt, „Grim Fandango“ und „Halo“ optisch aufpoliert. Die alten und neuen Versionen im Vergleich.

Von Heinrich Lenhardt und Benedikt Plass-Fleßenkämper

Die Geschichte des Totenwelt-Reiseveranstalters Manny Calavera ist eine der seltsameren Episoden der Videospielhistorie. Die Verkaufszahlen des Adventures „Grim Fandango“, dessen Held Calavera ist, enttäuschten bei seinem Erscheinen im Jahr 1998 trotz guter Kritiken. Doch das Spiel und seine Schöpfer werden in Fankreisen heftig verehrt.

Nun wird der Flop von damals neu aufgelegt. „Grim Fandango“ gilt als eine der großen Spielehoffnungen für die Saison 2014/15. Es nicht das einzige Spiel, das zum zweiten Mal die Chance bekommt, den Markt zu erobern.

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Tim Schafer war einst Projektleiter von „Grim Fandango“. Es war sein letztes Spiel für LucasArts, bevor er sein eigenes Studio Double Fine Productions gründete. „Wir wollen, dass die Leute es wieder spielen können“, begründet er die Neuauflage. Außerdem aber, das weiß Schäfer, können Remakes wirtschaftlich prima funktionieren – wie die Special Edition von „The Secret of Monkey Island“, einem anderen LucasArts-Klassiker, die 2009 erschien.

Das Ur-„Grim Fandango“ war noch für 386-er PC entwickelt und auf CD-Roms verkauft worden, heutzutage ist es ebenso schwer zu bekommen wie zum Laufen zu bringen. Das Remake sei eine Gelegenheit, das Spiel in der Form zu präsentieren, „so wie wir es uns ursprünglich vorgestellt hatten“, sagt Schafer.

Die Arbeitsweise beim Remake erinnert an die behutsame Restauration eines Kunstwerks: Ausgangsbasis sind die Original-Rohdateien, die nun dank höherer Auflösungen und feinerer Texturen in neuem Glanz, aber zugleich authentisch präsentiert werden sollen. Schafer sagt, ihm bedeute es viel, dass so viele Leute in Onlineforen eine Wiederkehr des Spiels gefordert hätten.

Sind die besten Ideen von gestern?

Die Branche kann den kreativen Beistand aus der Vergangenheit durchaus vertragen. Im Vergleich zu den glitzernden und lärmenden Routinefortsetzungen moderner Spieleserien wirkt mancher Oldie frisch und verwegen. Bemerkenswert ist die Bandbreite bei den Wiederauflageversuchen: Es gibt grafisch aufgehübschte Remakes von noch jungen Hits wie dem Endzeitdrama „The Last of Us“, aber auch Fortsetzungen von Achtzigerjahre-Klassikern, etwa in Form des Rollenspiels „Wasteland 2“. Das neue alte Weltraumepos „Elite: Dangerous“ soll nicht nur eine modernisierte Optik, sondern auch neue Spielinhalte bieten.

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Eine Schatzkiste an historischen Spielemarken und ein steigender Altersdurchschnitt der Kunden machen das Geschäft mit der Vergangenheit selbst für einen großen Konzern wie Activision Blizzard attraktiv. Das Unternehmen konzentriert sich eigentlich auf umsatzstarke Marken wie „Call of Duty“ und „World of Warcraft“, überraschte im August aber mit der Ankündigung, das altehrwürdige Sierra-Label wieder auferstehen zu lassen. Hier sollen mehr oder weniger alte Serien wie die Retroflair-Ballerei „Geometry Wars“ oder das Adventure-Urgestein „King’s Quest“ fortgesetzt werden. Diese neuen Spiele, basierend auf den alten Marken, lässt man von vergleichsweise jungen, unabhängigen Studios entwickeln.

Zwischen Kommerz und Leidenschaft

Bob Loya ist als Senior Director bei Activision Blizzard für die Zusammenarbeit mit externen Entwicklern zuständig. Er freut sich auf Vorschläge von Spielemachern, die etwas Neues mit einer klassischen Marke anstellen wollen. Dabei könne man im Prinzip über alles reden – von „Pitfall“ bis zum Infocom-Textadventure. „Wir wollen mit talentierten Entwicklern an Spielen arbeiten, die ausgefallen sind und etwas wirklich Innovatives zu bieten haben“, sagt er. „Am wichtigsten ist es, dass die Entwickler mit Leidenschaft dabei sind.“

Loya weiß um die Kritiker, die Activision Blizzard die Aussicht aufs schnelle Geld als Hauptmotivation unterstellen. Er räumt ein, dass die ersten Veröffentlichungen beweisen müssen, dass sein Arbeitgeber ebenso qualitätsbewusst wie respektvoll mit dem Erbe umgeht: „Diese Marken bedeuten eine Menge Verantwortung.“ Einen Mangel an neuen Ideen sieht Loya in der Spielebranche nicht. Eher wolle man eine Nachfrage bedienen: „Wir würden diese Spiele nicht machen, wenn es nicht Leute gäbe, die davon begeistert sind.“

„Die Macht der Nostalgie ist unbestreitbar“

Irgendwo zwischen Remake und Fortsetzung bewegt sich „Shadowgate“. Dave Marsh und Karl Roelofs entwickelten 1987 das Original-Abenteuerspiel für den alten Schwarzweiß-Macintosh von Apple, es folgten Umsetzungen für diverse Systeme vom Amiga bis zur Nintendo-Konsole. Während das „Grim Fandango“-Comeback mächtige Geburtshelfer wie Sony hat, mussten Marsh und Roelofs auf Kickstarter Geld von den Fans sammeln. Das im August 2014 erschienene neue „Shadowgate“ variiert das klassische Spielerlebnis mit frischen Räumen und Puzzles.

Eine Faustregel beim Design des Remakes laute „Im Zweifelsfall am Original orientieren“, so Roelofs. Deshalb blieb es bei einer etwas umständlich anmutenden Klickbedienung, bei der neun Aktionswörter mit Gegenständen kombiniert werden. Der hohe Schwierigkeitsgrad erinnerte ebenfalls an den berüchtigten Vorgänger.

Roelof erklärt sich den Charme von Remakes so: Viele Leute würden gern wieder ihre Jugend durchleben, durch Spiele, mit denen sie Erinnerungen verbinden. „Die Macht der Nostalgie ist unbestreitbar.“

Der vollständige Artikel mit Klickstrecke ist am 10. September 2014 bei Spiegel Online erschienen.