„Riot: Civil Unrest“: Spiel die Straßenschlacht!

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Die Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo, Demonstrationen in Spanien, die Räumung eines Protestlagers in Italien: In „Riot: Civil Unrest“ werden Straßenschlachten zum Videospiel – mit ernstem Hintergrund.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper und Michael Förtsch

Die Demonstranten sind nicht mehr friedlich. Sie werfen Molotowcocktails auf Polizisten. Die Beamten reagieren. Mit Vorstößen in die Menschenmenge, in Gruppen, gepanzert, mit Schlagstöcken und Wasserwerfern. Gesteuert werden die Beamten oder die Demonstranten vom Sofa aus – in „Riot: Civil Unrest“, einem Spiel, das im Sommer 2015 zunächst für den PC, später auch für iOS-Geräte erscheinen soll. Gewalttätige Unruhen als Videospiel – eine weitere simple Provokation dieser an Geschmacklosigkeiten nicht eben armen Branche?

Ganz so einfach wollte es sich das junge italienische Fünf-Mann-Studio IV Productions anscheinend nicht machen. „Nachdem ich einige Aufstände aus erster Hand miterlebt hatte, fühlte ich, dass ich etwas tun muss, um all diese Erfahrungen auch für andere irgendwie greifbar zu machen“, sagt Leonard Menchiari, 27, Chefentwickler von „Riot“. „Ich wollte verdeutlichen, dass diese Dinge passieren, und sie dabei aus einem übergreifenden Blickwinkel zeigen.“

riot Indignados Kopie

In TV-Nachrichten und in YouTube-Clips sei stets nur ein zeitlich und optisch äußerst eingeschränkter Ausschnitt zu sehen, nicht aber die Dynamik der riesigen Massen oder die Eskalationsmomente.

In „Riot“ wird es keine frei erfundenen Szenarien geben, seine vier Kampagnen orientieren sich an realen Ausschreitungen rund um den Globus: Die Besetzung des Tahrir-Platzes in Ägypten von 2011, die Straßenschlacht um eine Deponie in Keratea in Griechenland im Jahr 2010, die Bewegung der „Empörten“ in Spanien von vor drei Jahren und die Revolte der Protestbewegung No-TAV gegen eine Hochgeschwindigkeitsbahntrasse in Italien, in die Menchiari hineingeriet. „Ich sprach mit Menschen, die die Aufstände in den anderen Ländern mitgemacht hatten. Ich fragte, wie sie die Situation erlebten“, erörtert der Entwickler. „Ich konnte außerdem mit einigen Polizisten reden, um ihre Sicht der Dinge zu erfahren.“

Bei „Riot“ wollen sich die Entwickler bewusst nicht auf eine Seite schlagen, Schwarz-Weiß-Denken sei nicht ihre Sache, sagen sie. Ob auf dem virtuellen Tahrir-Platz oder in den Straßen von Turin, die Auseinandersetzung lässt sich stets von beiden Seiten und damit auf grundverschiedene Weise erfahren. Der Spieler steuert die Demonstranten als eine homogene Masse, deren Aktionen und Gemütszustand mithilfe simpler Bedienelemente beeinflusst werden. „Du kannst sie vorschicken, anheizen oder beruhigen, und Orte, was letztlich stets das Ziel ist, gewaltsam oder gewaltfrei einnehmen und halten“, sagt Menchiari. Molotowcocktails, Feuerwerk und Barrikaden können als Werkzeuge eingesetzt werden.

Der vollständige Artikel ist am 26. Mai 2015 bei SPIEGEL ONLINE erschienen.