Rückkehr der Horrorspiele: Die neue Lust an der Angst

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Indie-Videospiele wie „Amnesia“ oder „Slender“ sind Überraschungshits. Plötzlich gibt es eine Flut von neuen Titeln rund ums Grauen. Wir haben sie uns näher angesehen – und ein paar Perlen gefunden.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Der Gang ist schmal und lang, an den Wänden krabbeln Küchenschaben. Steigt man die Kellertreppe herunter und öffnet die Tür, steht man wieder genau dort, wo man anfangs losgegangen ist. Immer wieder. Aber irgendetwas verändert sich. Hinter einer angelehnten Tür sind seltsame Geräusche zu hören – ein wimmerndes Baby, ein verletztes Tier? Plötzlich steht eine Frauengestalt im Schatten, reglos. Dann geht das Licht aus.

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„P.T.“ war eine der wenigen großen Überraschungen der Gamescom. Die kurze Demoversion sollte Erwartungen wecken für „Silent Hills“, ein für 2016 geplantes Horrorspiel. Stardesigner Hideo Kojima („Metal Gear Solid“) und Regisseur Guillermo del Toro („Pans Labyrinth“) sorgten mit der kurzen spielbaren Szene wie aus einem Albtraum für Furore: Viele YouTube-Stars probierten sie aus und stellten ihre eigenen, entsetzten Reaktionen als Clip ins Netz.

Kojima und del Toro greifen mit „P.T.“ einen Trend auf, der an die Glanzzeiten des Videospiel-Horrors anknüpft. In den Neunzigerjahren scheuten sich die Macher von Spielen wie „Alone in the Dark“, „Resident Evil“ und vor allem „Silent Hill“ nicht davor, Spieler zutiefst zu verstören. Nach der Jahrtausendwende setzte die Branche dann stärker auf kommerziell vermeintlich lukrativere Action à la „Call of Duty“. Selbst ein „Dead Space“, 2008 noch im Stil von Horrorfilmen wie „Event Horizon“ gestartet, endete 2013 im dritten Teil als simpler Shooter.

Doch offenbar haben die großen Publisher verstanden, dass viele Spieler sich gern mal wieder richtig fürchten wollen, subtile Schockeffekte und nachhaltiges Grauen der schnellen Ballerei vorziehen. Mit „Alien: Isolation“, das die klaustrophobisch-bedrohliche Stimmung des ersten „Alien“-Films von 1979 einfängt, und „The Evil Within“ vom „Resident Evil“-Erfinder Shinji Mikami erscheinen diesen Herbst gleich zwei Horrorspiele, in denen man keinen stereotypen Superkrieger verkörpert, sondern ums nackte Überleben kämpft. 2015 sollen weitere Horror-Hoffnungen folgen, darunter Sonys PS4-Exklusiventwicklung „Until Dawn“, die an Filme wie „Evil Dead“ erinnert. Außerdem sind zwei neue „Resident Evil“-Spiele im klassischen Survival-Horror-Format angekündigt: „Remastered“ und „Revelations 2“.

Indie-Studios als Vorreiter

Das schwedische Studio Frictional Games war 2007 mit der PC-Trilogie „Penumbra“ und dem spirituellen Nachfolger „Amnesia: The Dark Descent“ einer der Vorreiter der neuen Horrorwelle. „Wir wollten Spiele von der Art machen, die wir vermissten und die es zu dieser Zeit einfach nicht gab“, sagt Kreativdirektor Thomas Grip. Die Entwickler schickten den Spieler zunächst in eine grönländische Mine, später in ein scheinbar verlassenes Schloss. Stets ist man nahezu wehrlos, muss flüchten und wird mit beängstigenden Geräuschen und optischen Effekten aus der Fassung gebracht. Die Unsicherheit des Spielers und die Dunkelheit sind hier die größte Bedrohung – und für viele genau das, was den Reiz von „Amnesia“ ausmacht.

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Im September 2010 als reines Downloadspiel erschienen, wurde es innerhalb von zwei Jahren über 1,4 Millionen Mal heruntergeladen. Für ein 14-Mann-Team, das hauptsächlich sich selbst verpflichtet ist und lediglich 260.000 Euro investierte, ein Riesenerfolg.

„Der Spieler ist hier nun mal kein Superheld“

„Wir hatten einige Jahre lang versucht, Ubisoft davon zu überzeugen, ein Horror-Game auf die Beine zustellen“, so Philippe Morin, früher Designer hinter Serien wie „Assassin’s Creed“. „Aber sie wollten nicht.“ Also machte er aus der Not eine Tugend, gründete den kanadischen Entwickler Red Barrels und wurde zum kreativen Kopf hinter dem PC- und PS4-Schocker „Outlast“.

Morin glaubt, in einigen Chefetagen werde befürchtet, dass ein Horrorspiel nicht nur unrentabel sei, sondern sich auch schlecht anpreisen und bewerben lasse. „Der Spieler ist hier nun mal kein Superheld. Im Gegenteil, er soll sich machtlos, unterlegen und bedroht fühlen“, erläutert der Entwickler seine Vorstellung. „Wir wollen ihm eine solche Angst einjagen, dass er das Spiel am liebsten abschalten will. Für viele macht es scheinbar keinen Sinn, warum jemandem so etwas gefallen sollte.“

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Die Spieler aber lieben „Outlast“. Laut Red Barrels konnte man bis heute über zwei Millionen Downloads verzeichnen. Auf einen klassischen Spieleverlag war das Studio nicht angewiesen, der reine Digitalvertrieb sei unkompliziert und ohne große Kosten gewesen. „Ich denke, das ist ein Grund, warum das Internet für Horrorspiele so toll funktioniert“, erklärt der Ex-Ubisoft-Mann. „Entwickler erreichen hier ohne Umwege und bürokratische Hürden diejenigen, die diese Spiele goutieren, aber von den Großen der Industrie seit Jahren vernachlässigt werden.“

„Dann bekomme ich als Spieler richtig Angst“

Alex Tintor, Gründer und Kreativdirektor von Blue Isle Studios, ist mitverantwortlich für „Slender: The Arrival“. Dessen Vorgänger hat es seit seiner Gratis-Veröffentlichung im Juni 2012 auf der Entwicklerwebseite Parsecproductions auf über sechs Millionen Downloads gebracht. Für „The Arrival“ verlangt das Studio rund zehn Euro. Konkrete Zahlen möchte Tintor nicht nennen, er betont aber, dass die „Downloads unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen haben“.

Mitteilsamer ist der Spielemacher, wenn man ihn zum Thema Horrorspiele im Allgemeinen befragt. Er findet, dass zahlreiche vermeintliche Triple-A-Horrorspiele der letzten Jahre in Wirklichkeit „große, aufgeblasene Actiontitel“ waren. Horror funktioniere vor allem im Rahmen kleinerer, persönlicher Geschichten: „Wenn du mir etwas Vertrautes aus meinem Leben vorsetzt und es dann einfach komplett auf den Kopf stellst, dann löst das ein großes Unbehagen in mir aus aus. Und dann bekomme ich als Spieler richtig Angst.“

Der vollständige Artikel mit großer Klickstrecke ist am 08. Oktober 2014 bei Spiegel Online erschienen.