Videospiel „Alien: Isolation“ im Test: Im Weltall hört Sie niemand schreien

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Der Horror-Klassiker „Alien“ bekommt einen geistigen Nachfolger mit Hollywood-Flair: Sigourney Weaver hat am Videospiel „Alien: Isolation“ mitgewirkt. Funktioniert das? Wir haben das Spiel getestet.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper und Olaf Bleich

Schaut man Amanda Ripley, der Protagonistin des Horrorspiels „Alien: Isolation“ ins Gesicht, blickt man in die Vergangenheit einer Hollywood-Legende. Amanda Ripley ist die Tochter der „Alien“-Jägerin Ellen Ripley – 1979 erstmals gespielt von US-Darstellerin Sigourney Weaver. Tatsächlich erkennt man eine Familienähnlichkeit zwischen Weaver und Amanda. Der Spielcharakter ist nämlich kein platter Entwicklertrick: Er wurde wurde nach alten Aufnahmen der im Jahr 2007 verstorbenen britischen Schauspielerin Elizabeth Inglis digitalisiert, Sigourney Weavers leiblicher Mutter.

Dabei war der Hollywood-Star („Avatar“) nie ein großer Freund von Videospielen. Wie Weaver in einem Interview erklärt, lehnte sie bisherige Anfragen stets ab: „Ich wollte nie Teil eines Videospiels sein, in dem es darum geht, die Figuren einfach nur abzuknallen.“

Doch „Alien: Isolation“ ist anders. Das von Creative Assembly („Total War: Rome 2“) entwickelte Action-Abenteuer orientiert sich an Ridley Scotts erstem Teil der „Alien“-Saga und lässt die Pistole sprichwörtlich im Halfter. Dieser Twist war es auch, der Weaver zur Zusammenarbeit mit Sega und Creative Assembly motivierte. „Als ich hörte, dass sich die Entwickler am ersten Film orientieren wollten, mit Ripleys Tochter als völlig neuem Ansatz, bin ich hellhörig geworden. Vielleicht ist dadurch eine Kommunikation zwischen den Generationen möglich.“

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Das Alien geht um

Das Videospiel „Alien: Isolation“ spielt zeitlich zwischen den Science-Fiction-Filmen „Alien“ und „Aliens: Die Rückkehr“. 15 Jahre nach dem Verschwinden ihrer Mutter ist Amanda noch nicht über diesen Verlust hinweg. Als sie die Nachricht erhält, dass der Flugschreiber der Nostromo – jenem Schiff, auf dem Ellen Ripley arbeitete – gefunden wurde, meldet sie sich sofort freiwillig für den Einsatz. Nicht wissend, dass sie auf der Raumstation Sevastopol das gleiche Schicksal wie ihre Mutter erwarten soll. Auch hier hat sich bereits ein schwarzes Xenomorph-Monster eingenistet und die Station ins Chaos gestürzt.

Alien: Isolation“ ist kein Ego-Shooter im Stil eines „Call of Duty“ – und will auch gar keiner sein. Zwar erlebt man das Spiel aus der Ich-Perspektive und es gibt Pistole und Flammenwerfer, doch diese Waffen sind im Kampf mit dem Alien vollkommen nutzlos. Ganz im Gegenteil: Wer hier ballert oder sich allzu auffällig verhält, wird zerfetzt! Das Alien agiert aggressiv und zufallsbasiert. Das bedeutet: Es wird von Geräuschen angelockt, bewegt sich aber absolut frei auf der Sevastopol. Amanda auf der anderen Seite muss dieser Bestie aus dem Weg gehen. Sie versteckt sich in Schränken, Spinden oder unter Schreibtischen, sie verschwindet in Luftschächten oder lenkt die Kreatur mit kurzgeschlossenen Alarmanlagen ab. Jeder Kampf endet in „Alien: Isolation“ tödlich. Dadurch entsteht auch der Nervenkitzel. Eine falsch getimte Aktion, ein Sprint zu viel oder ein kleiner Fehler, schon droht der Neustart. Die Entwickler schaffen es, ein intensives Gefühl der Bedrohung zu kreieren. Und genau das ist es, was Film-Fans von einem „Alien“-Spiel erwarten.

Dem Untergang geweiht

Die Macher hatten Zugriff auf alle Informationen des ersten „Alien“-Films und nutzten sogar die Original-Soundeffekte. Das zahlt sich aus: „Alien: Isolation“ bringt die Stimmung der Filme hervorragend rüber. Die zerrüttete Sevastopol wird zum Jagdrevier und ist mindestens genauso wichtig für die Atmosphäre wie der Xenomorph selbst. Die zerstörte Raumstation verwandelt sich zum lebendigen Organismus, der um sein Leben kämpft, aber von dem außerirdischen Virus in die Knie gezwungen wird. Überall herrschen Chaos und Zerstörung. Die wenigen Überlebenden haben fürchterliche Angst. Die Hilfsandroiden – sogenannte Syntheten – sind durchgedreht und attackieren jeden, der ihnen zu nahe kommt.

Die Sevastopol ist ein feindlicher Ort und lässt das den den Spieler zu jeder Sekunde spüren. Schnell stellt sich beim Spielen Paranoia ein: Jedes Poltern in den Luftschächten, jedes Zischen eines Lüftungsrohrs lässt einen zusammenzucken. Sigourney Weaver erklärt: „‚Isolation‘ hat nichts mit bisherigen Lizenzspielen zu tun. Hier befinden Sie sich in einer klaustrophobischen und beklemmenden Welt. Sie werden gezwungen, in Sekundenbruchteilen Entscheidungen zu treffen. Ansonsten sind Sie tot. Und genau dadurch entsteht ein Thrill, den die Leute dort draußen wollen.“

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Amandas Hilfslosigkeit trägt maßgeblich zur Stimmung des Spiels bei. Immerhin: Dank ihrer Handwerkskünste bastelt man sich im Baumenü einfach bedienbare Hilfsmittel wie einen Geräuschmacher oder Granaten zusammen. Aber wichtigstes Werkzeug bleibt der aus den Filmen bekannte Bewegungssensor. Mit einem durchdringenden Piepsen zeigt der kleine grüne Bildschirm an, ob sich in Amandas näherem Umfeld irgendetwas tut. Je schneller das Gerät ausschlägt, desto akuter die Gefahr. Wenn das das Alien naht, schnellt der Puls des Spielers in die Höhe.

Technik-Freaks sorgen selbst für noch mehr Spannung im Wohnzimmer: Besitzer der Kinect für Xbox One oder einer Kamera für Playstation 4 können sich selbst beim Spielen beobachten lassen. Geräusche und hektische Bewegungen werden dann aufgezeichnet und ins Spiel integriert. Wer also zum Beispiel laut hustet, lockt das Alien an.

Zwischen Lust und Frust

„Alien: Isolation“ ist kein leichtes Spiel und legt einem während der 15 Stunden Spielzeit immer wieder Steine in den Weg. Spielstände werden beispielsweise nicht automatisch gespeichert. Stattdessen muss Amanda den Spielfortschritt manuell an Automaten sichern. Erst nach drei Sekunden und einem mechanischen Klick folgt die Einblendung „Wollen Sie wirklich den vorhandenen Spielstand überschreiben?“ – und damit die Gewissheit, dass man noch einige Sekunden weiterspielen kann. Denn stirbt Amanda, müssen die seit dem letzten Speicherpunkt erledigten Aufgaben wiederholt werden.

Das Spiel bestraft einen für Fehler. Dies sorgt in Kombination mit dem unberechenbaren Verhalten des Aliens für gelegentliche Frustmomente. Wer mehrere Minuten zitternd in einem Schrank kauert, nur, um letztlich doch vom Außerirdischen verspeist zu werden, fühlt sich um die vergangene Lebenszeit betrogen. Und das vollkommen zurecht. Durch diesen Ärger mutiert das Alien mitunter vom Horror-Wesen zum Frechdachs: Der Grusel geht mit laufender Spielzeit verloren und weicht einer wohligen Anspannung. Irgendwann akzeptiert man den Xenomorph als Spielverderber und legt die Furcht vor der vom verstorbenen Schweizer Künstler H.R. Giger erdachten Kreatur ab.

Ellen Ripley Ellen Ripley, die von Sigourney Weaver verkörperte Hauptfigur der bislang vier "Alien"-Filme, ist in "Alien: Isolation" ebenfalls spielbar. Vorbesteller erhalten in der "Ripley Edition" in "Crew Expendable" Zugriff auf den Original-Cast aus "Alien", der versucht, den Xenomorph in die Falle zu locken. In "Last Survivor" steuert man ausschließlich Ripley selbst. Wer hier nicht zuschlagen will, muss sich ein wenig gedulden. Beide Bonusmissionen werden in naher Zukunft auch als Kaufinhalt angeboten.

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Ellen Ripley, die von Sigourney Weaver verkörperte Hauptfigur der bislang vier „Alien“-Filme, ist in „Alien: Isolation“ ebenfalls spielbar. Vorbesteller erhalten in der „Ripley Edition“ in „Crew Expendable“ Zugriff auf den Original-Cast aus „Alien“, der versucht, den Xenomorph in die Falle zu locken. In „Last Survivor“ steuert man ausschließlich Ripley selbst. Wer hier nicht zuschlagen will, muss sich ein wenig gedulden. Beide Bonusmissionen werden in naher Zukunft auch als Kaufinhalt angeboten.

Trotzdem muss man den Entwicklern attestieren, dass sie vom üblichen Baller-Schema abweichen, konsequent auf subtilen Horror setzen und die Möglichkeiten des Mediums Videospiel ernst nehmen. Das ist auch das, was Sigourney Weaver und Schauspielkollegen wie Kevin Spacey („House of Cards“), der im kommenden „Call of Duty“ den Bösewicht mimt, an digitalen Spielen reizt. Weaver: „Videospiele verändern sich sich gerade stark, das fasziniert mich sehr. Sie können jetzt ganz neue Erfahrungen und Erlebnisse erzeugen. Und für diese Art von Erfahrung braucht es gute Schauspieler, um sie ein bisschen realer zu machen.“

https://www.youtube.com/watch?v=uqmlNjPWNXA

Fazit: Filmreifer Weltraum-Schocker mit kleinen Macken

„Im Weltraum hört dich niemand schreien.“ Dieser Slogan des 35 Jahre alten ersten „Alien“-Streifens gilt auch für „Alien: Isolation“. Dieses Spiel ist Survival-Horror in Reinkultur, allerdings mit all seinen Stärken und Schwächen. Gerade Einsteiger werden der knackige Schwierigkeitsgrad und das unberechenbare Alien-Verhalten frustrieren. Das ständige Sprinten von einem Schrank zum nächsten nutzt sich mit der Zeit spürbar ab. Kleinere technische Probleme wie gelegentliche Grafikruckler oder die nicht lippensynchronen Dialoge trüben ebenfalls den guten Gesamteindruck. Filmliebhaber auf der anderen Seite lassen sich von der Atmosphäre direkt ins „Alien“-Universum hineinsaugen: Sie ergötzen sich an den unzähligen Details, lesen Logbucheinträge und können sich in der Sevastopol regelrecht verlieren.

„Alien: Isolation“ ist sicherlich nicht das perfekteste und benutzerfreundlichste, wohl aber eines der ungewöhnlichsten Spielerlebnisse des Jahres. Schroff, knallhart und nervenaufreibend!

Hersteller/Vertrieb: Creative Assembly / Sega
Genre: Survival-Horror
Plattform: Xbox 360, Xbox One, Playstation 3, Playstation 4, PC
Preis: 50 Euro (Playstation 3, Xbox 360, PC), 70 Euro (Xbox One, Playstation 4)
Altersfreigabe: Ab 16 Jahren

Erschienen am 06. Oktober 2014 bei stern.de.