Simulator-Games: Zwischen Sockenschuss und Satire

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Der Ziegensimulator war nur der Anfang, der Trend zu Nonsens-Games geht weiter: Neue Spiele simulieren das Dasein von Steinen, Socken und vom Nichts.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Die Deutschen mögen Simulationsspiele. Auf Realismus getrimmte Serien wie der Flight Simulator existieren seit über 30 Jahren und haben sich in ihren diversen Versionen hierzulande stets prima verkauft. Mit dem Landwirtschaftssimulator drängte 2008 eine neue Simulationsserie auf den Markt, die das Leben eines Landwirtes in den Fokus rückte, aus dem Stand hohe Verkaufszahlen erzielte und eine Welle ähnlicher Berufsspiele lostrat. Ob Bagger-, Holzfäller-, Kehrmaschinen-, Schwebebahn- oder Spreng- und Abriss-Simulator, es gibt mittlerweile fast nichts, was man nicht nachspielen kann. Die Qualität solcher Simulationen ist oft mäßig, den Fans scheint das aber egal zu sein: sie lieben es, sich virtuell in den unterschiedlichsten Berufsfeldern zu betätigen und dabei zu entspannen.

Während Alltagssimulationen einen authentischen Ansatz verfolgen, entstehen aber auch immer wieder Simulatoren, die irgendwo zwischen Jux-Projekt und komplettem Spiele-Unsinn einzuordnen sind. Die WC-Simulation Totally Accurate Toilet Simulator etwa stellt den täglichen Gang zum stillen Örtchen nach – inklusiver „realistischer“ Furz-Samples und dem Geräusch der Wasserspülung. Dann gibt es da noch den Robot Vacuum Simulator, eine Staubsaugersimulation, in der man als Roboter eine Wohnung gründlich saubermacht, sowie den Curtain Simulator 2013, der dem Spieler ermöglicht, Vorhänge zu bewegen, miteinander zu verknoten und schließlich in tausend Teile zu zerbröseln.

Grass Simulator 2014

Es sind nichtkommerzielle Arbeiten, über die man lachen oder den Kopf schütteln kann, sie sind aber nichts gegen den Hype, den der Goat Simulator Anfang April entfacht hat. Hier steuert der Spieler eine unsterbliche Ziege mit Superkräften und stiftet mit dieser in einer Open-World-Umgebung reichlich Chaos. Das Spiel ist inhaltlich aufgrund des ungewöhnlichen Protagonisten und zahlreicher, teils von den Entwicklern gewollter Programmfehler zumindest skurril, macht mit seinem anarchischen Ansatz dennoch erstaunlich viel Spaß.

Der Überraschungshit rief schnell tierische Nachahmer auf den Plan: Vom erfolgreich per Kickstarter finanzierten Bear Simulator über das Smartphone-Spiel Shark Simulator bis hin zum Cat Simulator, dessen Kickstarter-Kampagne allerdings scheiterte.

Aber Tiere sind noch vergleichsweise sinnvolle Spielfiguren. Crowdfunding-Plattformen und Steam Greenlight, ein Entwickler-Unterstützungsprogramm von Half-Life-Erfinder Valve, lassen Entwickler und Spaßvögel selbst vom größten anzunehmenden Simulator-Nonsens träumen.

Die Finanzierung des Rock Simulator 2014 etwa, einem Stein-Simulator also, ist bereits gesichert: Statt der angepeilten 500 US-Dollar, in denen die 100-Dollar-Gebühr für die Anmeldung bei Steam Greenlight schon enthalten sein soll, kamen bislang über 1.100 US-Dollar zusammen. Für ein Spiel, in dem „schöne Steine überall auf der Welt ansehen“ kann. Zusätzlich soll es aber immerhin einen Felsen-Editor zur Erstellung eigener Steine geben sowie drei verschiedene Spielmodi mit Minigames. Da die Macher auf das Free-to-Play-Modell setzen, erhalten Unterstützer des Projekts für ihr Geld entsprechend nicht das fertige Spiel, sondern „sensationelle“ Boni wie eine persönliche Nachricht und – je nach gezahltem Betrag – ein bis drei echte Steine.

Zwischen Simulation und Satire

Im Grass Simulator 2014 gibt es bisher nicht einmal ein Spielziel. Es gilt, aus der Ego-Perspektive über eine saftig grüne Wiese zu schlendern und dabei sinnlos mit einer Pistole in die Luft zu ballern. Sollte das Spiel tatsächlich das Licht der Welt erblicken, versprechen die Entwickler immerhin mehr Abwechslung: Rasenmähen soll ebenso möglich sein wie dem Gras im Zeitraffer beim Wachsen zuzusehen. Zudem stellen die Macher den Spielern in Aussicht, als Kuh durch die 3-D-Spielwelt zu trotten und die „dynamische Gras-Grafik“, das „realistisches Wetter“ und die „wundervolle Umgebung“ zu genießen. Aber dann wäre es eher ein Kuh- als ein Gras-Simulator. Und der hätte möglicherweise einen Konkurrenten. Möglich, dass die Entwickler solcher Spiele den Begriff „Simulator“ im Spieletitel hauptsächlich als Lockmittel verwenden, weil sie wissen, wie beliebt solche Spiele sind.

Der Socken-Simulator

Spätestens mit dem Sock Simulator und dem Smoking Simulator ist auch die Grenze zur Satire überschritten. Der Brite Edward Bowden buhlt auf Kickstarter sogar um Unterstützung für seinen Nothing Simulator 2015. Der Nichts-Simulator, so sagt Bowden, macht nichts, kann nichts und will nichts.

Black Screen Simulator 2014

Nicht jeder Entwickler findet den fortschreitenden Simulator-Klamauk witzig – und konterkariert ihn lieber auf kreative Weise. Der Black Screen Simulator 2014 simuliert – Überraschung! – einen schwarzen Bildschirm. Der Kommentar seines Schöpfers auf der Greenlight-Seite: „Was ich hiermit zeigen will ist, dass Spielen wie dem Rock Simulator ein Ende gesetzt werden muss. Ich will, dass jeder versteht, wohin das führt – zu vielen unnützen Simulatoren, die vollkommen sinnfrei sind und keinen echten Wert bieten. Das hier ist mehr als ein schwarzer Bildschirm. Es ist die Bedeutung dahinter.“

Update: Der Black Screen Simulator 2014 ist wenige Stunden nach Erscheinen dieses Artikels von Greenlight verschwunden, auch der Youtube-Kanal wurde geschlossen.

Erschienen am 15. Juli 2014 bei Zeit Online.