„The Last of Us“ im Test: Die Killerpilze greifen an!

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Ein kleiner Pilz verwandelt Menschen in Mutanten. Ein typisches Grusel-Szenario für Spieler? Ja, aber was Naughty Dog daraus macht, ist großartig.


Von Benedikt Plass-Fleßenkämper 

Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Welt ohne Hoffnung, ohne Freiheit, ohne Zukunft. Ihr bequemes Leben von früher ist seit dem Ausbruch einer Infektion vor 20 Jahren vorbei. Ein parasitärer Pilz, der vorher nur auf Ameisen scharf war, hat einen Großteil der Menschheit in willenlose Zombies verwandelt. Schwer vorstellbar, aber nicht unrealistisch. Den Pilz gibt es tatsächlich. Ophiocordyceps Unilateralis lautet sein lateinischer Name. Er kontrolliert mit bioaktiven Substanzen das Verhalten von Ameisen, macht sie so zu Zombies. In „The Last of Us“ verfallen ihm auch die Menschen.

Mit den wenigen anderen Überle­benden fristen Sie Ihr Dasein in ei­ner militärisch bewachten Quarantänezone in Bos­ton und halten sich als Kleinkrimineller über Wasser. Nur selten wa­gen Sie sich in das verbotene Gebiet außerhalb der Stadt, um Güter zu er­gattern, die Profit auf dem Schwarz­markt versprechen. Denn in der verwilderten Natur und den überwucherten Metropolen der USA lun­gern streunende Gangs – und jede Menge Zombie-ähnliche Wesen, die nach Ihrem Blut lechzen.

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Hoffnung für die Menschheit

Klingt schrecklich? Für Joel, Prota­gonist des lang erwarteten Actionspiels „The Last of Us“, trauriger Alltag. Die Jahre auf der Straße und seine tragische Vergangenheit haben den bärtigen Brummbären zynisch ge­macht – er traut niemandem, höchs­tens Partnerin Tess. Mit ihr trifft er auf seine alte Bekannte Marlene, die ein 14-jähriges Mädchen bei sich hat: Ellie. Marlene eröffnet Joel, dass der Teenager die letzte Hoffnung der Menschheit sei. Denn Ellie ist immun gegen den parasitären Pilz, selbst der Biss eines Infizierten konnte ihr nichts anhaben. Nun muss jemand Ellie sicher zur Rebellengruppe „Fireflies“ eskortieren, die nach einem möglichen Impfstoff forscht. Widerwillig sagt Joel zu – und begibt sich mit der Kleinen auf ei­ne Odyssee quer durch den Osten der USA.

Apocalypse Now

„Uncharted“-Entwickler Naughty Dog serviert mit „The Last of Us“ ei­nen düsteren Endzeit-Thriller. Wäh­rend Sie aus der Verfolgerperspekti­ve durch Wildnis und Städte streifen – anfangs zu Fuß, später auch mit dem Auto und auf dem Rücken ei­nes Pferdes –, steht das nackte Überleben in einer apokalyptischen Welt im Vordergrund.

Mit seinen faszinierenden Schauplätzen zieht das Spiels Sie sofort in seinen Bann: Kanalisation, U-Bahn-Schacht, Hotel – genauso herunter­gekommen wie hier stellt man sich Orte vor, die 20 Jahre lang der Natur überlassen wurden.

Super: Die Inszenierung ist film­reif, das Tempo wechselt ständig. Kamerafahrten wie im Kino und wilde Deckungs-Schießereien mit dem US-Militär wechseln sich mit Quick-Time-Events ab, in denen Sie schnelle Reaktion beweisen müs­sen, weil Ihnen ein „Stalker“ an die Gurgel will. Gerade wiegen Sie sich noch in Sicherheit und füllen Ihre Vorräte auf, da attackiert Sie im nächsten Moment eine Hor­de blutgieriger „Runner“.

Blinde Mutanten greifen an

Und dann sind da noch die gruseli­gen blinden Mutanten. Wenn Sie nachts durch ein halb dunkles Museum huschen und ständig das fiese „Klick, klack“ dieser „Clicker“ hö­ren, steigt Ihr Panikpegel rapide. Al­so schnell einen Backstein werfen, den Clicker damit in die falsche Richtung locken, um ihm dann erbarmungslos von hinten das Messer in den Kopf zu rammen. Es gibt aber auch ruhige Passagen, in denen Joel und Ellie zusammen­arbeiten, um Schal­ter zu aktivieren. Ellie folgt Joel auf Schritt und Tritt und verteidigt sich in Kämpfen automatisch. Sie ist aber alles andere als ein KI-Roboter. So kommentiert sie die jeweilige Situa­tion mal ironisch, mal sehnsüchtig: „Wow, ich sehe gerade zum ersten Mal in meinem Leben den Wald!“

Überlebenskampf allerorten

Es ist ratsam, Aufmerksamkeit zu vermeiden, lautlos am Rücken der Feinde vorbeizuschleichen und Munition zu sparen, statt kopflos draufloszuballern. Da­mit Sie aber für den Kampf gegen Militär, Banden und Pilz-Mutanten gewappnet sind, müssen Sie alles einsammeln, was Sie finden: Waffen, Munition, Werkzeuge, Ver­bände …

„The Last of Us“ fährt ein großzügiges Nahkampf- und Schusswaffen-Arsenal auf: Axt, Baseballschläger, Pistole, Scharfschützengewehr, Flammen- und Raketenwerfer, Pfeil und Bogen. Mit ge­fundenen Gegenständen stellen Sie Molotowcocktails, Nadel- und Rauchbom­ben und Heilverbände her. Oder Sie basteln Ihre eigene Killerwaffe, indem Sie etwa einen Me­tallstock mit Klebeband und Schere zum Beil umfunktionieren.

The Last of Us

Augen auf!

„The Last of Us“ ist ein geradliniges Spiel: Sie folgen einer vorgegebenen Route und lösen automatisch die nächste Zwischensequenz oder ein wichtiges Ereignis aus. Abseits des schnellsten Weges gibt es jede Menge zu entdecken. Durchkäm­men Sie verlassene Häuser, stolpern Sie schon mal über einen verschlos­senen Safe. Haben Sie die Kombina­tion nach langer Suche endlich auf einer Streichholzschachtel gefun­den, freuen Sie sich über Shotgun-Patronen und einige Bauteile, mit denen Sie Ihren Waffen mehr Muni­tion, höheres Nachladetempo und weitere Verbesserungen spendieren.

Erkundungen lohnen sich in „The Last of Us“ auf jeden Fall – nicht zu­letzt, da Sie mit sammelbaren Medi­kamenten Joels Attribute positiv be­einflussen. So erhöhen Sie seine maximale Lebensenergie oder beschleunigen die Wundheilung, wenn er einen Verband braucht.

Ein ganzer Spielfilm

Je nachdem, wie gründlich Sie die Spielwelt erforschen, sehen Sie den Abspann nach 15 bis 20 Stunden. Auf Spielfilmlänge erstrecken sich die insgesamt über 90 Minuten langen Zwischensequenzen, die durchweg professionell vertont wurden. Hier lauschen Sie Dialogen zwischen Jo­el und Ellie oder lernen die ergreifenden Schicksale anderer Figuren kennen. Naughty Dog scheut keine Emotionen, spart sich aber glücklicherweise Klischees und all­zu viel Kitsch.

Fazit: The Last of Us

Die Lücke zwischen Holly­wood-Kino und Videospiel schließt sich: „The Last of Us“ erreicht mit Inszenierung, Dramatik, Plot und Cha­raktertiefe locker das Niveau guter Horrorfilme wie „28 Days Later“. Weitere Stärken sind die traumhafte Präsentation, der perfekte Mix aus ruhigen Passagen und kompromiss­loser Action sowie dieses ganz spe­zielle Gefühl der Beklemmung, dass in dieser Endzeitwelt irgendwas nicht stimmt. Sie mögen die Fern­sehserie „The Walking Dead“? Dann werden Sie „The Last of Us“ vergöttern. Einer der letzten ganz großen Titel für die PS3 – auf gar keinen Fall verpassen!

Testnote: gut, 1,55

+
  • Gute Mischung aus Horror und Action
  • Klasse Grafik
  • Tolle Synchronisation
  • Umständlicher Waffenwechsel
  • Gelegentliche KI-Aussetzer

Erschienen am 05. Juni 2013 bei COMPUTER BILD SPIELE.