„Valiant Hearts – The Great War“ im Test: (Aus-)Gezeichnetes Kriegsdrama

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Vier Fremde, ein Hund und der Erste Weltkrieg: Ubisoft bringt ein gleichermaßen schönes wie trauriges Download-Abenteuer auf den Markt – und rührt mit tiefen Emotionen!

Von Olaf Bleich/bpf

„Valiant Hearts – The Great War“ basiert – wie „Child of Light“ oder „Rayman Legends“ – auf der UbiArt-Framework-Technik und zeichnet sich damit durch einen bezaubernden Grafikstil mit Tiefe und Detailreichtum aus. Die Charaktere sehen aus, als würden sie geradewegs aus einem französischen Zeichentrickfilm stammen – schroffe Formen, buschige Bärte und tiefsitzende Hüten inklusive.

Auffällig: Keine der erwachsenen Figuren besitzt Augen. Die philosophische Erklärung der Entwickler passt zum Szenario. Denn die Menschen damals hätten die Augen vor dem Krieg verschlossen. Nur Kinder und Tiere schauen Sie in diesem Adventure mit traurigen Augen an und stechen damit hervor. Der Grafikstil ist eigen und intensiv, aber stets passend für diese finstere Epoche in der europäischen Geschichte.

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Große Emotionen und kleine Momente

In dem 2D-Abenteuer steuern Sie gleich vier Protagonisten, die auf verschlungenen Pfaden zueinander finden. Der französische Bauer Emile wird zu Beginn des Krieges vom Militär einberufen. Sein deutscher Schwiegersohn Karl hingegen erst aus Frankreich ausgewiesen und dann für die Deutschen an die Front geschickt. Der Amerikaner Freddy tritt freiwillig als Fremdenlegionär der britischen Armee bei. Und die junge Ärztin Anna schließlich landet aus eigenem Antrieb heraus in den Kriegswirren.

Alle Figuren verfolgen persönliche Motive, weshalb der Weltkrieg ihr Leben auf ewig verändert. Bemerkenswert: „Valiant Hearts“ stellt keine klaren Feindbilder auf; Schwarz-Weiß-Denken ist den Machern glücklicherweise fremd. Wenn überhaupt, dann sind der Krieg selbst und seine treibenden Generäle wie etwa Baron von Dorf die Gegner im Spiel. Das Kriegsabenteuer spielt mit Ihren Emotionen und scheut auch nicht vor traurigen Momenten und einer insgesamt beklemmenden Atmosphäre zurück.

Solide Rätselkost

Den Entwicklern geht es in erster Linie darum, in vier Kapiteln – und etwa sechs bis acht Stunden – eine spannende Geschichte mit viel Tiefe zu erzählen. Die darin eingebetteten Rätsel können sicher nicht mit Knobelkost à la „Edna bricht aus“ oder der „Deponia“-Reihe mithalten. Jede Figur besitzt dennoch ihre persönlichen Eigenheiten, die sich auch in deren Aufgaben widerspiegeln und entsprechend eingesetzt werden müssen. Freddy beispielsweise verfügt über einen Seitenschneider und räumt damit Stacheldrahtbarrieren aus dem Weg. Emile auf der anderen Seite gräbt sich durch Tunnel. Anna verarztet in Minispielen Verwundete.

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All diese Ideen werden um klassische Röhrenrätsel und kleinere Logikaufgaben ergänzt. So sprengen Sie Barrikaden mit Dynamit, müssen dieses aber zuvor durch Stichflammen werfen, um es zu entzünden. Dazu spielt der Hund Walt eine wichtige Rolle, kriecht er doch nicht nur unter Giftgas und Rauch hindurch, sondern kann auch wichtige Gegenstände apportieren und durch Tunnel krabbeln.

Hilfe von der Brieftaube

„Valiant Hearts – The Great War“ ist kein schweres Spiel. Einige Aufgaben gestalten sich etwas aufwendiger, aber letztlich führt das Adventure neue Elemente – zum Beispiel die Röhrenrätsel – früh ein und steigert lediglich deren Schwierigkeitsgrad. Darin liegt gleichzeitig die größte Schwäche des ungewöhnlichen Spiels. Viele Grundideen wiederholen sich insgesamt zu häufig oder erfordern viel Laufarbeit. Dadurch geht stellenweise Atmosphäre verloren, da nicht alle Rätsel taufrisch wirken. Sollten Sie dennoch einmal stecken bleiben, hilft „Valiant Hearts“ mit Tipps nach: Sobald Sie eine bestimmte Zeit an einem Ort verweilen, bietet Ihnen eine Brieftaube nützliche Luftpost mit Hinweisfotos an. Selbst Genre-Unerfahrene werden hier keine Probleme haben.

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Fazit: Valiant Hearts – The Great War

Sicherlich ist „Valiant Hearts“ kein perfektes Adventure. Die Rätsel wiederholen sich stark, die Minispiele sind – bis auf die netten Musikeinlagen – spielerisch zu simpel und eintönig. Und dennoch sollten Sie es spielen! Weil es anders, neu und frisch ist. Vor allem aber, weil viel Herz und jede Menge Gefühl in dem Comic-Abenteuer stecken.

Testnote:

gut
2,18
+
  • Wunderschöner Grafikstil
  • Tolle Mischung aus realer Geschichte und Abenteuer
  • Gelungenes Hilfesystem
  • Rätselelemente wiederholen sich
  • Charakterzeichnung zu seicht

Erschienen bei COMPUTER BILD SPIELE am 25. Juni 2014.