Spielemesse in Los Angeles: Das sind die wichtigsten Trends der E3

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Virtuelle Realität und Headset-Hysterie, Klassiker-Neuauflagen und brachiale Brutalität: Wir stellen die großen Trends von der Spielemesse E3 in Los Angeles vor.

Aus Los Angeles berichten Benedikt Plass-Fleßenkämper und Sönke Siemens

Werbetafeln, so breit wie die Türen eines Flugzeug-Hangars. Monster-Statuen, hoch wie Straßenlaternen. Und Panzer direkt vor der Eingangshalle. Mit gewohnt spektakulären Aufbauten versuchen die Hersteller, auf der E3 in Los Angeles, der wichtigsten Videospielmesse der Welt, die Fachbesucher anzulocken.

Doch die E3 hat mehr zu bieten als pompöse Stände. Auf der Messe fallen auch Trends auf, die die Branche in den kommenden Monaten prägen dürften. Wir haben die acht wichtigsten zusammengefasst.

Trend 1: Headset-Hysterie

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Spätestens seit Facebook Ende März für zwei Milliarden US-Dollar Oculus VR aufgekauft hat, sind Virtual-Reality-Headsets richtig angesagt. Der Unterschied zu den Nackenstarre- und Kopfschmerz-Verursachern der Neunzigerjahre sind ausgefeilte Lagesensoren und moderne Displays. Sie sorgen dafür, dass man schon bald größtenteils beschwerde- und schwindelfrei in dreidimensionalen Welten versinken kann.

Wie groß das Interesse daran ist, zeigen die Menschentrauben am Messestand von Sony; der Konzern will mit seinem Project Morpheus gerade eine VR-Brille zur Marktreife führen.

Trend 2: Betatest-Invasion

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Damit das Produkt am Ende rund wirkt, müssen gerade Onlinespiele komplexe Belastungstests überstehen. Ein gern genutztes Mittel dafür sind Betatests, bei denen man schon Monate vor Spielveröffentlichung ausgewählte Passagen probespielen darf.

Für Liebhaber solcher Versuchskaninchen-Aktionen wird 2014 ein gutes Jahr. Zum Shooter „Battlefield Hardline“ zum Beispiel startete die Betaphase noch während der EA-Pressekonferenz. Die zum Weltraumspektakel „Destiny“ von Activision folgt am 17. Juli, sechs Tage später lädt „The Crew“ zur Open-World-Probefahrt.

Gegen Ende des Jahres sind wohl erste Gehversuche mit Microsofts 4-gegen-1-Fantasy-Scharmützel „Fable Legends“ möglich. Auch „Halo 5: Guardians“ wird man dann probespielen können. Noch nicht genug? Wie wär’s mit der Beta zu Bethesdas Free-to-play-Geheimtipp „Battlecry“ (2015) oder einem Ausflug ins Universum der Shooter-Wiedergeburt „Doom“?

Trend 3: Levelbau leichtgemacht

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Egal, ob „Project Spark“ von Microsoft, „Mario Maker“ von Nintendo oder „Little Big Planet 3“ von Sony: Alle drei großen Konsolenhersteller, aber auch einige andere Entwickler, geben Spielern dieses Jahr einmal mehr die Möglichkeit, per Levelbaukasten eigene Welten zu erschaffen. Mit Werkzeugen, die so einfach zu bedienen sind, dass selbst Spieleneulinge binnen Minuten zurechtkommen – zumindest im Einsteiger-Modus. Denn speziell mit „Project Spark“ und „Little Big Planet 3“ sind enorm komplexe Projekt möglich, die oft fast schon als eigene Minispiele durchgehen.

Trend 4: Stream‘ doch, wohin du willst

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Wenn Sonys Streaming-Dienst Playstation Now im Spätsommer dieses Jahres in den USA startet, wird sich zeigen, ob das 380-Millionen-Dollar-Investment der Japaner in die Firma Gaikai ein cleverer Schachzug war. Die Gaikai-Technologie ermöglicht es, ein Videospiel auf einer Serverfarm statt auf einer lokalen Konsole berechnen zu lassen und das Bildsignal praktisch verzögerungsfrei an den Nutzer zu schicken. Dem wiederum genügt zum Spielen ein Endgerät samt angeschlossenem Controller. Auf der PS Vita zum Beispiel kann man in Kürze Playstation-3-Titel spielen.

Doch die Konkurrenz schläft nicht. Valves Spiele-Download-Portal Steam bietet seit Ende Mai eine ähnliche Funktion: In-Home-Streaming. Der große Unterschied ist hier, dass man das Signal nicht auf eine Konsole, sondern an einen Computer schickt.

Trend 5: Digitale Frischzellenkur

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Viele Hersteller setzen derzeit auf HD-Neuauflagen bekannter Spiele. Microsoft etwa vereint in der „Halo The Master Chief Collection“ alle bisherigen Teile der Shooter-Saga und brezelt sie für die Xbox One optisch auf. Wer mag, darf per Tastendruck sogar nahtlos zum Look der Original-Fassungen wechseln. Obendrein winken Leckerbissen wie ein Freischaltcode für die „Halo 5“-Beta und der Zugang zur Serie „Halo Nightfall“.

Mitbewerber Sony kontert mit der am 29. Juli erscheinenden „Remastered“-Version des Playstation-3-Hits „The Last of Us“. Außerdem feiert LucasArts‚ Adventure „Grim Fandango“ ein Comeback, ebenso das Hüpfspiel „Ratchet & Clank“. Square Enix bringt „Kingdom Hearts 2.5 HD ReMix“ auf den Markt.

Trend 6: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft

Trend 6 - Geschenke

Immer mehr Spiele-Publisher nehmen sich diese Binsenweisheit zu Herzen, um Kunden an sich zu binden. Besonders hartnäckig versucht dies derzeit Sony umzusetzen. Immer mehr Playstation-Neuveröffentlichungen liegt digitaler Download-Schnickschnack bei, den es so auf anderen Systemen nicht oder nur sehr viel später gibt. Besondere Figuren, zusätzliche Levels, weitere Spielmodi: Die Sony-Strategie ist aggressiv, scheint aber Früchte zu tragen – sonst würde man die Schiene nicht so konstant fahren.

Trend 7: Brachiale Brutalität

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Auffallend viele der auf der E3 gezeigten Titel setzen auf eine exzessive Gewaltdarstellung. Ganz vorn mit dabei: „Mortal Kombat X“. In dem Spiel werden reifengroße Löcher in Bäuche gebrannt, Organe in Zeitlupe zerfetzt und Wirbelsäulenknochen auf immer neue Weise zertrümmert.

In „Sniper Elite 3“ darf der Spieler die Flugbahn des Scharfschützen-Projektils vom Lauf der Waffe bis hinein in die Hirnmasse verfolgen – aufbrechende Schädeldecke inklusive. Bei „The Evil Within“ geht’s nicht minder zimperlich zu, allerdings ist hier die Handlung in ein Survival-Horror-Szenario von Genre-Altmeister Shinji Mikami („Resident Evil“) eingebettet.

Trend 8: Bye, bye Bewegungssteuerung

Auch 2014 erscheinen Spiele für Kinect und die Playstation-Eye-Kamera, richtig viele sind es aber nicht. Das liegt im Fall der Xbox One daran, dass Kinect seit Juni der neuen Konsole nur noch auf Wunsch beiliegt – nicht sonderlich motivierend für passionierte Kinect-Entwickler.

Bei Sony dagegen wird die Bewegungssteuerung via Move-Controller und Kamera für Gamer wohl erst wieder relevant werden, wenn Project Morpheus erscheint.

Der vollständige Artikel mit Klickstrecke ist am 12. Juni 2014 bei Spiegel Online erschienen.