Die dunkle Seite des Spielers: Der Arschloch-Report

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Online-Spiele sind ein Schlachtfeld, auf dem Fairness oft zu kurz kommt. Wie aber fühlt man sich eigentlich als Online-Rowdy? Und welche Beweggründe haben Spieler, sich im Netz danebenzubenehmen?

Von Olaf Bleich und Benedikt Plass-Fleßenkämper

Moderne Video- und Computerspiele schenken dem Nutzer viele Freiheiten. Dank großer Server-Kapazitäten und leistungsfähiger Hardware bilden die Programme nicht selten nur noch das Grundgerüst – für das eigentliche Befüllen der virtuellen Welten sind mitunter die Communitys selbst verantwortlich. Das wohl bekannteste Beispiel für die exemplarische Darstellung verspielter Kreativität bleibt Minecraft: Der vom schwedischen Indie-Programmierer Markus „Notch“ Persson entwickelte Klötzchen-Klassiker gilt als Vorzeigeprodukt der aktuellen Software-Generation. Er stellt nicht sich selbst in den Mittelpunkt, sondern die schöpferischen Fähigkeiten der Spieler.

Allerdings gibt es eben auch jene Titel, die zwar ähnliche Freiheiten bieten, aber weitaus weniger konstruktiv daherkommen. In den vergangenen Jahren setzten sich Multiplayer-Survival-Spiele wie DayZ, Rust oder Ark: Survival Evolved an der Spitze der Steam-Verkaufscharts fest und sorgten für eine Menge positive wie negative Publicity. Denn die völlige Freiheit geht einher mit kuriosen und teils verstörenden Auswüchsen. Man erinnere sich nur an DayZ-Spieler, die andere zum Singen der Nationalhymne zwangen oder sie anderweitig regelrecht folterten.

Was der Kollege rechts nicht weiß: Die drei anderen Spieler stecken unter einer Decke und werden ihn gleich fesseln.

Was der Kollege rechts nicht weiß: Die drei anderen Spieler stecken unter einer Decke und werden ihn gleich fesseln.

Inzwischen hat jeder in Spielen wie DayZ, Rust oder auch The Division die Chance, die innere Drecksau zu entfesseln und seinen Frust an anderen auszulassen. Aber wie fühlt man sich dabei eigentlich? Mal jemanden zu piesacken, ist ja bekanntlich das eine. Gezielt als Troll durch virtuelle Welten zu lustwandeln, aber das andere. Wir wollten wissen, wie sich das anfühlt.

Aus zweiter Hand: Der YouTuber „MafuyuX“ berichtet

Unser Selbst-Experiment zeigt, dass die Verwandlung zum Online-Rowdy Zeit und auch eine gewisse Form der Hingabe benötigt. Dennis Werth ist Projektleiter des Online-Magazins www.playnation.de und betreibt mit Spielen wie DayZ oder Ark: Survival Evolved den äußerst erfolgreichen YouTube-Kanal „MafuyuX“. Mit mehr als 450.000 Abonnenten besitzt er nicht nur eine große Community, sondern hat online in Hunderten von Spielstunden schon einiges miterlebt. Regelmäßige DayZ-Sessions mit seinen Fans enden nicht selten im Desaster. „Die Leute sind unfassbar erfinderisch, manchmal schon beinahe krank. Sie denken sich immer neue Methoden aus“, sagt Werth.

Er erzählt im Interview von gezielten Überfällen: Ein Lockvogel wird vorgeschickt und markiert gegenüber der anderen Gruppe das arme Opfer, dessen Kamerad von Banditen gefangen genommen wurde. „Ich bin bei solchen Typen generell skeptisch. Aber meine Teamkollegen haben ihm geglaubt. Was ist passiert? Wir wurden in einen Wald gelotst und hinterrücks abgeknallt. Es war ein Hinterhalt.“ Für ihn ist DayZ weit mehr als nur ein Spiel. Dadurch, dass Spieler über Stunden ihren Loot zusammensuchen, kämpfen sie darum, als würde es um ihr eigenes Leben gehen. Auf dem Weg zu der perfekten Ausrüstung scheuen aber manche auch nicht vor miesen Touren zurück.

„Die Leute spielen auch krasse Psychotricks mit einem. Einer benutzte mal Walkie-Talkies und lockte unsere Gruppe damit in einen Zellentrakt. Als wir nachschauten, wo die Stimmen herkamen, fiel er uns in den Rücken“, erklärt „MafuyuX“ im Gespräch. Regelmäßig spielt er auch gegen die Community: „Wir machen sogenannte Routen-Sessions. Das bedeutet: Wir fünf befinden uns in einem festen Areal auf der Karte und laufen einen bestimmten Weg ab. Die Community darf uns jagen. Bis jetzt sind wir aber immer lebend angekommen.“

Alleine ist die Festnahme eines anderen Spielers nahezu unmöglich. Zu zweit kann einer Feuerschutz geben und der andere übernimmt die Drecksarbeit. Das arme Opfer wartet geduldig ab, was mit ihm passiert.

Alleine ist die Festnahme eines anderen Spielers nahezu unmöglich. Zu zweit kann einer Feuerschutz geben und der andere übernimmt die Drecksarbeit. Das arme Opfer wartet geduldig ab, was mit ihm passiert.

Allerdings gab es in einer vergangenen Runde bereits im Vorfeld Probleme. Zwei Teamkameraden wurden noch vor dem offiziellen Beginn der Session abgeschossen, sodass die Partie verschoben werden musste. Den Grund erklärt „MafuyuX“ wie folgt: „Es gibt zwei Leute, die sind extrem eifersüchtig. Die haben früher mal mit einigen meiner Teammitglieder zusammengespielt. Ich habe mit denen gar nichts zu tun. Jedenfalls benutzten diese beiden das Portal gametracker.com, um unseren Server herauszufinden. Auch nach zwei Jahren versuchen die immer noch, unsere Videos zu sabotieren. Beim letzten Mal ist es ihnen sogar zumindest kurzzeitig gelungen.“

Der vollständige Artikel inklusive des Selbst-Experiments und zahlreicher Zusatzinformationen ist am 24. Juli 2016 bei PC Games.de sowie in der Print-Ausgabe des Magazins erschienen.