„Quantum Break“ ist die perfekte Mischung aus Fernsehserie und Videospiel

WIRED

Das neue Werk der „Max Payne“-Macher ist Actionspiel und TV-Serie in einem. Funktioniert das?


Von Benedikt Plass-Fleßenkämper 

Sind Videospiele die neuen Filme? Zumindest beim Umsatz haben Spiele wie „Call of Duty“ Hollywood längst abgehängt. Kein Wunder, dass sich die beiden Industrien immer mehr annähern. Der neueste Crossover-Versuch ist der lang erwartete Actiontitel „Quantum Break“: Im Spiel werden klassisches Shooter-Gameplay und eine TV-Serie mit Star-Besetzung zu einer digitalen Symbiose. WIRED-Autor Benedikt Plass-Fleßenkämper hat sich das Spiel mal näher angeschaut.

Schon in der Frühzeit der Wohnzimmerunterhaltung versuchten kreative Köpfe, Videospiele und Filme miteinander zu verbinden. 1983 wagte sich Disney-Designer Don Bluth an den interaktiven Zeichentrickfilm „Dragon’s Lair“, in den 1990er Jahren zelebrierten Abenteuer-Games wie „The 7th Guest“ oder der „Star Wars“-Shooter „Rebel Assault“ das damals neue Speichermedium CD — mit ausufernden Videosequenzen und echten Schauspielern.

Erst in der jüngeren Vergangenheit aber rücken Hollywood und Spieleindustrie immer näher zusammen. Im Adventure „Beyond: Two Souls“ etwa wirken Ellen Page und Willem Dafoe als prominente Hauptdarsteller mit. In aufwendigen Motion-Capturing-Aufnahmen wurden die Mimik und die Bewegungen der Schauspieler digitalisiert.

Mit „Quantum Break“ geht das finnische Studio Remedy Entertainment noch einen Schritt weiter: Die Entwickler erzählen die Story ihres Action-Abenteuers nämlich sowohl in traditionell gerenderten Spiele-Sequenzen als auch in vier Folgen einer aufwendig produzierten TV-Serie. Die Hauptrollen übernehmen Stars wie Shawn Ashmore, bekannt durch seine Rolle als Iceman in „X-Men“, und Aidan Gillen, der Kleinfinger in der Serie „Game of Thrones“ spielt. Außerdem mit dabei sind der Darsteller von Merry aus dem „Herrn der Ringe“, Dominic Monaghan, und Lance Reddick, der durch seine Rolle als Polizeichef Cedric Daniels in „The Wire“ glänzte.

Die Idee dahinter: Was man als Spieler während der Gameplay-Passagen macht, beeinflusst die Live-Action-Serie — und was man dort sieht, wirkt sich auf das Game aus. Xbox-One-Besitzer dürfen sich die Episoden in verschiedenen Qualitätsstufen bis maximal 1080p herunterladen. PC-Spieler können die Folgen lediglich streamen, erhalten im Gegenzug aber die überlegene 4K-Auflösung.

Die Hintergrundgeschichte von „Quantum Break“ dreht sich um ein misslungenes Zeitreise-Experiment an der fiktiven Riverport University. Protagonist Jack Joyce (Shawn Ashmore) und sein Gegenspieler Paul Serene (Aidan Gillen) erlangen dadurch Superkräfte, allerdings bringt die Katastrophe auch die Zeit gehörig durcheinander. Das Ende der Welt steht bevor, und Serenes Megakonzern Monarch Solutions versucht, Profit aus dem Desaster zu schlagen.

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Was dabei schnell auffällt: Die Handlung von Spiel und Serie folgt unterschiedlichen Spannungsbögen. „Im Game stehen die Helden im Mittelpunkt, in der Serie hingegen die Schurken“, erklärt Remedys PR-Chef Thomas Puha in einem Interview mit DualShockers den bewusst gewählten Kontrast. „Ich denke, wenn die Leute ‚Quantum Break’ spielen, werden sie schnell in den Flow kommen und sich auch die Live-Action-Episoden anschauen.“

Tatsächlich schadet diese unterschiedliche Gewichtung der Handlungsstränge „Quantum Break“ nicht. Zwar wundert man sich anfangs, wieso Held Jack in der Serie kaum auftaucht, doch diese Überlegungen weichen schnell der Freude, weil man einen tieferen Einblick erhält. Die Serie legt den Fokus eben stärker auf die Geschehnisse innerhalb von Monarch Solutions. Vor allem Lance Reddick überzeugt als intriganter Machtmensch Martin Hatch und spielt selbst den gut aufgelegten Aidan Gillen alias Paul Serene schnell an die Wand.

Die Überschneidungen zwischen Videospiel und den vier TV-Folgen — jede 22 Minuten lang — treten an sogenannten Knotenpunkten auf. An diesen Stellen der Geschichte, die insgesamt fünf Kapitel umfasst, können die Spieler selbst bestimmen, welchen Weg die Handlung nehmen soll.

Bei alledem bleibt „Quantum Break“ ein sehr lineares Spiel: Zwar entscheidet man mit, wie die folgende Serienepisode und der nächste Level aussehen. Eine eigene Geschichte wird daraus aber nur in Grenzen. Rund 40 verschiedene Versionen der Serie drehten die Spielemacher — ein Ansatz, der an Adventure-Games wie „Life is Strange“ oder „The Walking Dead“ erinnert. Spiele, die letztlich mehr Einfluss vorgaukeln, als man tatsächlich hat.

Im Test variierten Levels und Serienepisoden leicht — abhängig davon, welche Entscheidungen ich zuvor getroffen hatte. Obwohl die Unterschiede nicht riesig sind, lohnt sich gerade für Neugierige ein zweites Durchspielen, zumal die reine Spielzeit mit knapp sechs Stunden recht knapp ausfällt. Die Erzählung von „Quantum Break“ ist einen zweiten Durchgang in jedem Fall wert, sie hält so manche Überraschung bereit.

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Als Action-Game ist „Quantum Break“ nichts Besonderes: Man kämpft unter anderem auf einem Universitätscampus, in Lagerhäusern und Laboranlagen. Gefeuert wird mit typischen Waffen wie Schrotflinte, Sturmgewehr und Pistole. Remedy hat das Motiv der Zeitreise jedoch geschickt in die ebenfalls sehr filmisch inszenierten Level eingebaut.

Der vollständige Artikel ist am 01. April 2016 bei WIRED erschienen.