„Space Engineers“: „Minecraft“ im Weltraum

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„Space Engineers“ verwandelt das Weltall in einen Sandkasten. Doch statt kleiner Pixelburgen wie in „Minecraft“ fertigen Baumeister hier ganz andere Dinge.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Nicht immer sind die ersten Worte so gut gewählt wie die von Neil Armstrong bei der Mondlandung am 20. Juli 1969. Sein berühmter Satz „Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit“ ist inzwischen ein geflügeltes Wort. Juri Gagarin war zwar der erste Mensch im Weltall, doch seine ersten Worte klingen weit weniger geschliffen: Am 12. April 1961 fiel dem russischen Kosmonauten nichts Besseres ein, als ein einfaches„Wir fliegen! Wir fliegen!“.

Wollte man das Sandkastenspiel Space Engineers mit einem derartigen Ausruf bedenken, dann wäre dies sicher: „Wir bauen! Wir bauen!“. Es mutet wie Minecraft in der Schwerelosigkeit an, ist ein Computerspiel-Lego-Baukasten, in dem jeder sein eigenes Raumschiff oder gar seine eigene Station in die virtuelle Realität umsetzen kann.

Space Engineers ist bereits seit dem 23. Oktober 2013 im Early-Access-Bereich von Steam erhältlich. Gut ein Jahr und eine Million verkaufte Exemplare später feilt Entwickler Keen Software House weiter an der Spielbalance und liefert regelmäßig Updates mit neuen Inhalten nach. Eine Umsetzung für die Xbox One ist langfristig ebenfalls geplant. Anfang November erschien Space Engineers als Limited Edition, gemeinsam mit Keen-Software-House-Spielen wieMiner Wars Arena und Miner Wars 2081. Es bleibt aber im Early-Access-Stadium. Denn wenn es nach Geschäftsführer Marek Rosa geht, sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: „Die Möglichkeiten sind nahezu endlos. Folglich werden Spieler auch Schiffe bauen können, die unser Programm an seine Grenzen bringt.“

Mit den Sims hat Space Engineers jedoch nichts gemein. Es geht also nicht um die Inneneinrichtung oder den puren Look der Schiffe und Stationen, obwohl man zumindest die Farbe seiner Bauteile selbst bestimmen kann. Vielmehr dreht sich alles um Funktionalität und logische Verknüpfungen – fast wie in Lego Technic.

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Bauen mit System

Der Kreativmodus stellt den ultimativen Baukasten von Space Engineers dar. Hier beginnt der Spieler mit unendlich viel Ressourcen und kann der eigenen Schaffenskraft freien Lauf lassen. Allerdings unterliegt das Spiel komplexen Physikroutinen, die beispielsweise bei Minecraft oder Terraria außer Acht gelassen werden können. Jeder noch so kleine Jet benötigt Steuerdüsen in alle Richtungen, damit die Navigation im luftleeren Raum funktioniert. Außerdem braucht es ein Gyroskop und natürlich von Uran angetriebene Reaktoren, die das System mit Energie versorgen. Der Spieler muss also über bestimmte Zusammenhänge bei der Konstruktion seiner Vehikel nachdenken.

Überhaupt sollte man bereit sein, sich in Space Engineers hineinzuarbeiten. Die Steuerung ist komplex und die einblendbaren Tutorial-Texte helfen nur bedingt weiter. Den eigenen Astronauten kontrolliert der Spieler mit Hilfe von Steuerdüsen, Bauteile packt man über das Inventar in die eigene Werkzeugleiste. Auf Tastendruck wechselt das Spiel zwischen Ich- und Verfolgerperspektive. Vor größeren Bauvorhaben empfiehlt es sich, einen Blick auf die Hilfevideos der Macher zu werfen. Diese erklären nämlich auch das Crafting und die Zusammenhänge von Maschinen und Rohstoffen.

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Im Survival-Modus, dem PvP-Bereich (Spieler gegen Spieler) von Space Engineers, sind die Ressourcen begrenzt. Statt auf hemmungsloses Bauen kommt es hier auf die gute Planung von Produktionsketten an. Mittels Bohrköpfen fördert man Rohstoffe wie Uran, Nickel oder Eisen. Diese Materialien werden dann gelagert und weiterverarbeitet. So entstehen neue Technologien, die für Vorteile sorgen, wenn bis zu 16 Online-Teilnehmer mit ihren Konstruktionen gegen- und miteinander antreten. Mit Waffensystemen wie Gatling-Guns oder Laserkanonen rücken die Schlachtschiffe einander zu Leibe.

Der auf Voxelgrafik basierende Titel offenbart besonders in den Kämpfen seine optischen Stärken: Die Raumschiffe zerspringen physikalisch korrekt in ihre Einzelteile und die teils riesigen Pötte sehen trotz des Baukastensystems erstaunlich detailliert aus. Damit Shuttle-Schöpfer ihre Schlachtschiffe auch haptisch in Empfang nehmen können, bietet Keen Studio House einen exklusiven 3D-Druck-Service. Der Druck eines kleinen Schiffs kostet zwischen 59 und 129 US-Dollar. Wer seinen Astronauten die Hand schütteln möchte, muss zwischen 9,95 und 19,95 US-Dollar investieren.

Kurioserweise hat unlängst die Nasa Experimente mit 3D-Druckern auf der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt und bewiesen, dass 3D-Drucker auch in der Schwerelosigkeit problemlos funktionieren.

Gemeinsam ans Ziel

Wie Minecraft lebt auch Space Engineers von der kooperativen Komponente und dem gemeinsamen Aufbauen großer Konstruktionen. Im Verbund mit anderen Spielern fertigt der Nutzer Fließbänder, lässt Minenschiffe automatisch zwischen Lager und Förderung pendeln und schaltet so immer neue Bausteine frei. Besonders schöne Schiffe lassen sich sogar mit Hilfe sogenannter Blueprintsabspeichern. Bastler integrieren neue Designs wie hübschere Schubdüsen, eigene Texturen oder Shader direkt über das mitgelieferte Modding-Tool oder teilen die eigenen Kreationen via Steam Workshop mit der Community.

Fazit

Dafür, dass sich Space Engineers weiterhin im Early-Access-Stadium befindet, macht es einen erstaunlich ausgereiften Eindruck. Der enorme Spielumfang und der Spaß am Bauen saugen den Spieler förmlich in den luftleeren Raum hinaus. Im Vergleich zu Minecraft sind die Zusammenhänge hier allerdings komplexer. Das Programm soll weit mehr sein als nur ein einfacher Baukasten. Es verknüpft geschickt Spielelemente und interne Physik. Am Anfang noch etwas knöchern, weckt Space Engineers binnen kurzer Zeit das Kind im Spieler und schenkt ihm dank schier grenzenloser Möglichkeiten eine ungeheure Fülle an Optionen. Dabei ist es eine gute Spur hübscher als Minecraft und wartet mit teils beeindruckenden Perspektiven auf. „Ein wunderschönes Schauspiel“ – um an dieser Stelle noch einmal Juri Gagarin zu zitieren!

Erschienen am 06. Dezember 2014 bei golem.de.