Spiele-App „Puzzle & Dragons“: Big in Japan

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Das Smartphone-Spiel „Puzzle & Dragons“ ist ein Phänomen: Hierzulande nahezu unbekannt, ist es in Japan ein Mega-Hit. (…)

Kein Mobilspielt hat 2013 mehr Geld umgesetzt. Ein Erfolg, der auch viel über den japanischen App-Markt verrät.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Seit einigen Wochen ist „Puzzle & Dragons“ in Europas App-Stores erhältlich, für iOS und Android. Das an sich wäre kaum beachtenswert, würde es sich bei dem Mix aus Rollenspiel, Kartensammlung und „3 gewinnt“ nicht um einen globalen Superhit handeln – den in unseren Breitengraden jedoch fast niemand kennt.

Seit der Japan-Veröffentlichung im Jahr 2012 meldet „Puzzle & Dragons“-Hersteller GungHo Rekordgewinne: 2013 machte das Unternehmen mit dem Free-to-play-Titel über 1,2 Milliarden Dollar Umsatz. Nach Angaben des Tech-Blogs „Venture Beat“, das Zahlen des Analyse-Dienstes App Annie ausgewertet hat, war „Puzzle & Dragons“ 2013 sogar die weltweit umsatzstärkste Games-App.

Und es folgten weitere Superlative: Bis Anfang März wurde das Mobilspiel über 25 Millionen Mal heruntergeladen, eine Umsetzung für Nintendos 3DS hat sich in Japan binnen kürzester Zeit millionenfach verkauft.

Dungeons & Dragons

Dem westlichen Spieler, der auf seinem Smartphone gelegentlich „Quizduell“ oder „Candy Crush Saga“ zockt, dürfte „Puzzle & Dragons“ mit seinem bunten Anime-Look vor allem viel zu komplex sein.

Das grundsätzliche Spielprinzip ist zwar simpel: Man streift mit einer Monster-Truppe durch Dungeons und kämpft gegen andere Kreaturen, am Ende mehrerer Gegnerwellen wartet schließlich ein Endboss – vorzugsweise ein Drache. Seine Attacken löst der Spieler durch die Kombination von drei gleichfarbigen Objekten aus, die er am unteren Bildschirm antippen und verschieben kann.

Doch damit allein ist es nicht getan: Für gewonnene Kämpfe erhält man Eier, aus denen neue Monster schlüpfen, die man zu seinem Team hinzufügen, mit anderen Kreaturen kreuzen oder verkaufen kann.

Wie das alles funktioniert, verrät einem das derzeit nur auf Englisch verfügbare Spiel lediglich in Grundzügen. Man muss selbst herausfinden, welche speziellen Eigenschaften die Sammelkarten-Figuren besitzen, wie man sie perfekt kreuzt und im Kampf zu seinem Vorteil einsetzt. Zudem ist es möglich, andere Spieler zu Hilfe zu rufen, was soziale Interaktion erlaubt und die Kämpfe etwas leichter macht.

Wer zahlt, gewinnt

Glaubt man einem Blog-Eintrag der Branchen-Website Gamasutra, hat GungHo in „Puzzle & Dragons“ eine geschickte Monetarisierungstechnik umgesetzt. So sehen sich Sammler zum Beispiel ständig der Versuchung ausgesetzt, sich neue, stärkere Monster per In-App-Kauffunktion zuzulegen.

Über 700 Monster-Sammelkarten bietet „Puzzle & Dragons“ – und GungHo schiebt ständig neue nach. Der Publisher geht immer wieder Kooperationen mit anderen Firmen ein, um den Spielern neue Inhalte und Event-Dungeons zu präsentieren.

Viktor Eippert

Viktor Eippert, hier während des Besuchs einer restaurierten Samurai-Burg im japanischen Osaka, ist Redakteur beim Spielefachmagazin „play3“. In seiner Rubrik „Vik in Japan“ berichtet er monatlich über die neuesten Trends aus Fernost. (Quelle: Viktor Eippert)

Für Viktor Eippert, Fernost-Experte beim Fachmagazin „play3“, ist das ein nicht unwesentlicher Grund für den Siegeszug des Spiels: „Zum kometenhaften Aufstieg hat sicherlich die clevere Einbindung von sehr bekannten Animes wie „Neon Genesis Evangelion“, Spielen wie „Dragon’s Dogma“ und Marken wie Hello Kitty beigetragen.“

Ein weiterer ausschlaggebender Erfolgsfaktor bei „Puzzle & Dragons“ und vergleichbaren Apps sei die aufwendige Präsentation, meint Eippert: „Die besten Spiele-Apps bieten Anime-Illustrationen und Charakterportraits, die es in Sachen Detailgrad und Artdesign selbst mit Konsolenspielen aufnehmen können. Dadurch fühlen sich solche Titel trotz ihres geringen oder gar nicht vorhandenen Preises hochwertig an.“

Free-to-play-Titel und Line-Spiele dominieren

Zwar gewinnt auch in Deutschland der Freemium-Markt weiter an Bedeutung, kostenpflichtige Programme wie Threema oder Spiele-Apps wie „Minecraft – Pocket Edition“ verkaufen sich im Westen aber immer noch hervorragend.

Dass Mobilspiele längst ein fester Bestandteil des Alltags der meisten Japaner sind, kann Asien-Fan Eippert aus eigener Erfahrung bestätigen: "Anders als im PKW-zentrierten Westen dominieren in den urbanen Gebieten Japans öffentliche Verkehrsmittel. Schüler, Studenten und Berufstätige verbringen täglich viel Zeit in Bus und Bahn. Auf meinen Geschäftsreisen nach Tokio und Osaka gab es keine Bahnfahrt, auf der nicht mindestens ein Drittel der Leute entweder eine Handheld-Konsole oder ein Smartphone in der Hand hielt."

Dass Mobilspiele längst ein fester Bestandteil des Alltags der meisten Japaner sind, kann Asien-Fan Eippert aus eigener Erfahrung bestätigen: „Anders als im PKW-zentrierten Westen dominieren in den urbanen Gebieten Japans öffentliche Verkehrsmittel. Schüler, Studenten und Berufstätige verbringen täglich viel Zeit in Bus und Bahn. Auf meinen Geschäftsreisen nach Tokio und Osaka gab es keine Bahnfahrt, auf der nicht mindestens ein Drittel der Leute entweder eine Handheld-Konsole oder ein Smartphone in der Hand hielt.“

Anders in Japan, dort ist Free-to-play längst Standard: „Unter den Top-100-Apps findet man im Schnitt vielleicht zwei, drei Vollpreis-Spiele, doch auch die haben Bezahloptionen“, sagt die 28-jährige Karin Hirata. Hirata arbeitet für ein Tokioter Beratungsunternehmen für Mobilspiele-Hersteller, in ihrem Blog schreibt sie regelmäßig über den asiatischen App-Markt.

Sie sieht in Japan aktuell zwei Haupttrends: Zum einen werde der Markt seit GungHos „Puzzle & Dragons“-Coup von zahlreichen vergleichbaren Kartenkampf-Rollenspielen überflutet, die kleinere Rätsel und Sammelcharaktere bieten. Einige davon würden sich ebenfalls sehr gut verkaufen, etwa „Kaku-San-Sei Million Arthur“ von Square Enix.

Zum anderen seien Spiele für den in Japan populären Messenger-Dienst Line enorm beliebt. „Seit Line seine Spiele-Plattform gestartet hat, macht die Games-Sparte 60 Prozent des Firmenumsatzes aus. Die meisten Line-Spiele sind sehr ‚casual‘, gerade Frauen spielen sie sehr viel.“

Einer der Gründe, warum Line in Japan so verbreitet ist, sei die integrierte Ranglisten-Funktion, über die jedes Line-Spiel verfügt: „Die Japaner spielen eben einfach gern mit ihren Freunden und messen sich mit ihnen.“

Der vollständige Artikel mit Klickstrecke ist am 15. März 2014 bei Spiegel Online erschienen.