Troy Baker: Der Leonardo DiCaprio der Spielebranche

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Egal ob Comedy, Drama oder Action: Der Videospiele-Darsteller Troy Baker ist als Schauspieler so vielseitig wie die großen Hollywood-Stars. Und doch würde ihn kaum jemand auf der Straße erkennen.

Von B. Kratsch und B. Plass-Fleßenkämper, Los Angeles

Er brachte das Raumschiff Enterprise überlebensgroß auf die Leinwand und krempelte mit „Lost“ die Sehgewohnheiten der Fernsehzuschauer um: Hollywood-Regisseur J.J.Abrams. Im Rahmen der Premiere zu „Star Trek: Into Darkness“ bekannte er sich als großer Spielefan: „Es ist faszinierend, mit welchen begrenzten Budgets Spielestudios so unfassbar viel schaffen. So viele Szenerien an den unterschiedlichsten Orten der Welt. Mit so vielen Charakteren, so viel Tiefe im Drehbuch und Effekten, wie wir sie in Hollywood verwenden, dafür aber nur ein Viertel unseres Budgets brauchen.“

Und Abrams hat Recht: Während sein „Into Darkness“ 190 Millionen US-Dollar gekostet hat, brechen selbst die größten Spiele selten die 100-Millionen-Dollar-Marke. Dennoch knacken einige Spiele bei den Einnahmen die Milliarden-Dollar-Marke. Die Gründe für die niedrigen Kosten sind vielfältig: In der Spieleszene gibt es keine Stars, es werden normale Gehälter und nicht 20 Millionen und mehr an eine Person gezahlt. Zudem hat sich der Fokus im Laufe der letzten Jahre stark auf Storytelling und exzellent ausgebildete Schauspieler verlagert. Wie den US-Amerikaner Troy Baker, aus Dallas, Texas, der Drehbücher mit minimalen Kulissen, ohne Kostüme und in schwarzen Neopren-Anzügen mit Hightech-Sensoren zum Leben erweckt.

Auf Spiele-Hits abonniert

Der smarte 37-Jährige hat fast jede wichtige Videospiel-Rolle im Jahr 2013 besetzt. Er ist als Booker DeWitt in „BioShock Infinite“durch Wolkenstädte gereist und hat als Joker Batman in „Arkham Origins“ um den Verstand gebracht. Und er spielte mit Joel aus „The Last of Us“ einen zerrissenen und von Selbstzweifeln geplagten Charakter in einem emotionalen Endzeit-Thriller, den „Spider-Man“-Regisseur Sam Raimi demnächst als Produzent auf die Leinwand bringen wird.

Steckbrief: Name: Troy Edward Baker Beruf: Spiele-Darsteller und -Synchronsprecher Geburtstag: 01. April 1976 in Dallas, Texas Familienstand: verheiratet Bekannteste Titel: "The Last of Us", "Bioshock Infinite", "Mass Effect 3", "inFamous: Second Son"

Steckbrief:
Name: Troy Edward Baker
Beruf: Spiele-Darsteller und -Synchronsprecher
Geburtstag: 01. April 1976 in Dallas, Texas
Familienstand: verheiratet
Bekannteste Titel: „The Last of Us“, „Bioshock Infinite“, „Mass Effect 3“, „inFamous: Second Son“

Es gibt Szenen in den Spielen, in denen Baker mitwirkt, die sind schauspielerisch so stark, dass man fast das Gefühl hat, Leonardo DiCaprio könnte da gerade virtuell abgebildet sein. Auch von seinem kecken Auftreten her, der wilden Frisur und seinem Modestil, irgendwo zwischen Johnny Depp und Robert Downey Jr., würde dieser Troy Baker als Hollywood-Star durchgehen. Auf der Straße erkennen würden ihn wohl aber die wenigsten. Woran liegt das – warum gibt es kaum Stars in der Spielebranche? stern.de hat den sympathischen Kalifornier in Los Angeles getroffen und spannende Einsichten aus dem Leben eines Mannes gewonnen, der eine gewisse Anonymität für sein Handwerk unerlässlich findet.

Zwischen dem Joker und notwendiger Anonymität

„Für mich gibt es immer diesen Spagat zwischen PR-Persönlichkeit und meinem eigentlichen Beruf“, erklärt Baker. „Früher haben wir nur Charaktere eingesprochen, heute sind wir richtige Schauspieler. Mimik, Gestik, alles wird mit Sensoren getrackt, von hunderten Kameras aufgenommen und letztlich digital ins Spiel übernommen.“ Dadurch gab es laut Baker nach und nach auch einen Wechsel im Marketing von Spielen: „Früher wurden stärker die technische Seite oder gezielte Gameplay-Elemente beworben, jetzt rücken Story und Charaktere mehr und mehr in den Vordergrund.“

Besonders für Sonys Meisterwerk „The Last of Us“, das gerade erst bei den renommierten BAFTA-Awards in gleich fünf Kategorien den Sieg holte, standen Baker und Schauspiel-Kollegin Ashley Johnson („The Mentalist“) häufig im Rampenlicht. Er sei oft gerührt gewesen, wie viel Mühe sich Fans gerade mit Cosplay-Verkleidungen geben, könne aber nicht jeden Wunsch erfüllen: „Sehr viele Fans wünschen sich, dass ich ein paar Sätze des Jokers auf ihre Mailbox spreche. Prinzipiell mache ich jeden Spaß gerne mit, aber mir ist es wichtig, dass die Leute beim Spielen von ‚Batman: Arkham Origins‘ nicht mich im Kopf haben, sondern sich auf diesen fantastisch geschriebenen Antagonisten konzentrieren. Das ist essenziell für das Spielerlebnis“, sagt Baker.

„Ich bin ein Geek“

Für ihn ist es ein großer Unterschied, ob er eine Persönlichkeit einer renommierten Marke spricht und spielt oder einen ganz neuen Charakter entwickelt. „‚The Last of Us‘ basiert auf einer Idee von Chefautor Neil Druckmann. Vorher kannte niemand diese Marke, wir haben sie selbst kultiviert“, erörtert er. „Den Joker in Batman haben hingegen schon die ganz Großen gesprochen.Mark Hamill ist für mich der Beste. Dieses fiese Lache werde ich nie vergessen. Ich kann nicht besser als er sein, nur einen anderen Ansatz suchen“, sagt Baker grinsend.

Fans würden viel geben für eine Mailbox-Ansprache des Joker, Baker lehnt aber meist ab. "Es ist wichtig, dass man die Kunstfigur beim Spielen sieht und nicht an mich denkt."

Fans würden viel geben für eine Mailbox-Ansprache des Joker, Baker lehnt aber meist ab. „Es ist wichtig, dass man die Kunstfigur beim Spielen sieht und nicht an mich denkt.“

Generell faszinieren Baker die vielen Facetten seines Berufs: „Kein Projekt ist wie das andere. Ich bin ein Geek und selbst ein Hardcore-Gamer. Ich liebte die Nerdgespräche auf den Fluren mit den Entwicklern von Batman. Den krassen Kontrast bildete die Arbeit an ‚Bioshock Infinite‘, denn mit Ken (Levine, Chefautor der Serie, Anm. d. Redaktion) haben wir viel über politische Theorien gesprochen, über die Utopie eines perfekten Landes und warum Wunsch und politische Wirklichkeit so oft kollidieren.“

Leonardo DiCaprio im Neopren-Anzug

Wer das grenzdebile Lachen dieses Troy Baker erlebt, wenn er den Joker imitiert, der ist sich sicher: Dieser Mann könnte es auch in Hollywood schaffen, könnte im nächsten „Batman“-Film von Christopher Nolan mitspielen. Hollywood sei für ihn aber nur am Rande interessant, sagt er: „Ich werde oft gefragt, warum ich mich nicht stärker auf Castings von Hollywood-Filmen konzentriere. Die Antwortet lautet: Ich liebe meinen Job, ich fühle mich hier pudelwohl, und viele Studios sind zu einer Art zweiten Familie geworden.“

Er habe noch nie an einer großen Hollywood-Produktion gearbeitet und sei prinzipiell offen für alles – aber bei Spielen verbringe man generell sehr viel Zeit mit dem Entwicklerteam. „Für uns hat sich eigentlich alles extrem ins Positive verändert. Früher bin ich in ein Studio gefahren, habe meine Aufnahmen gemacht, das war’s. Heute darf ich einen Charakter wesentlich stärker definieren und mehrere Jahre an ihm arbeiten“.

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Troy Baker mit „24“-Star Annie Wersching bei den Motion-Capturing-Aufnahmen zu „The Last of Us“: „Früher musste ich erklären, warum ich „nur“ in Games mitspiele. Heute bitten mich viele Schauspielfreunde, bei Studios mal ein gutes Wort für sie einzulegen.“

Technisch sei die Arbeit an einem Spiel heute ebenfalls nahezu eins zu eins vergleichbar mit einer großen Hollywood-Produktion: „Der Unterschied zwischen einem Hollywood-Star und mir ist der, dass Leonardo DiCaprio im teuren Anzug an einem noch teureren Set dreht und ich diesen ulkigen Neopren-Anzug trage, an dem kleine Bälle hängen. Unser Beruf ist im Grunde vergleichbar, nur sieht man bei mir das Resultat erst deutlich später.“

Künstler aus Überzeugung

Interessant ist auch, was Baker, der in seiner Freizeit ein begeisterter Hobby-Musiker und Bassist in der Band von „Silent Hill“-Komponist Akira Yamaoka ist, vom Mythos Hollywood hält: „Wir romantisieren immer den Beruf des jeweils anderen. Ich spiele schon ewig in einer Band – klar wollte ich mal Musiker werden. Aber nicht alle Musiker sind Rockstars. Und nicht alle Schauspieler sind Hollywood-Stars, sondern unter ein Prozent. Das ist eine Tatsache, die man sich bewusst machen muss. Sehr viele meiner Freunde sind Schauspieler und keiner von denen hat eine Yacht vor Malibu liegen. Ich glaube auch, dass Geld kein guter Antrieb ist, um Kunst zu schaffen. Ich bin stolz darauf an Spielen arbeiten zu dürfen, die mehrheitlich einen künstlerischen Ansatz verfolgen und das Medium vorantreiben wollen.“

Erschienen am 20. März 2014 bei stern.de.