Valve macht Dampf

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Sind Steam Machines die nächsten Mitbewerber im Konsolen-Krieg?

Von Heinrich Lenhardt

Spieler wissen, was sie von Valve wollen: Half Life 3! Die seit Jahren verschollene Fortsetzung der klassischen Shooter-Serie. Das amerikanische Studio hat aber andere Prioritäten. Mit der Online-Plattform Steam revolutionierte man den Vertrieb von Computerspielen. Und nachdem Valve-Gründer (und Ex-Microsoft-Manager) Gabe Newell viel über Windows 8 meckerte, legte er mit Steam OS ein alternatives Spiele-Betriebssystem für PCs vor. Jetzt soll eine ganze Palette von Kompakt-Computern den Standard in die Wohnstuben bringen. Doch da dürften die sogenannten „Steam Machines“ einen schweren Stand gegen Playstation und Xbox haben.

Friedhof der Spiele-Standards

Irgendwie kommt einem das bekannt vor: Der Gründer eines der erfolgreichsten Games-Publishers träumt vom neuen Spielmaschinen-Standard. Seine Firma produziert die Geräte nicht selber, sondern arbeitet mit Hardware-Partnern zusammen. Die sollen den Markt mit einer Vielzahl verschiedener Konsolen beglücken, die untereinander Software-kompatibel sind. Mit einer solchen Vision fiel Electronic-Arts-Gründer Trip Hawkins in den Neunziger Jahren mit dem 3DO-Standard auf die Nase. Schon in den Achtzigern versuchte Bill Gates zusammen mit japanischen Unterhaltungselektronik-Riesen vergeblich, den Heimcomputer-Standard MSX zu etablieren. An Geräte wie Panasonic Multiplayer (3DO) oder Sony Hit Bit (MSX) erinnern sich heute nur noch Hardware-Historiker.

Valve selber produziert keine eigenen Steam-Machine-Geräte. Im Januar 2014 enthüllte das Unternehmen dafür 14 Hardware-Partner, die eine Vielzahl verschiedener Modelle ankündigten, die sich in Preis, Ausstattung und Form erheblich unterscheiden.

Valve selber produziert keine eigenen Steam-Machine-Geräte. Im Januar 2014 enthüllte das Unternehmen dafür 14 Hardware-Partner, die eine Vielzahl verschiedener Modelle ankündigten, die sich in Preis, Ausstattung und Form erheblich unterscheiden.

Heißer Dampf im Wohnzimmer

Die Geschichte wiederholt sich: Diesmal versucht sich Valve-Gründer Gabe Newell mit einem Spielcomputer-Standard, dessen Umsetzung in handfeste Hardware anderen Firmen überlassen wird. Groß und berühmt wurde Valve durch die „Half-Life“-Spiele und den Online-Dienst Steam, bei dem man sich komfortabel und günstig Games für PC, Mac und Linux ziehen kann. Um die nicht nur am Schreibtisch-Monitor, sondern auch auf der Wohnzimmer-Couch zu spielen, müsste man Computer samt Maus, Tastatur und Kabelsalat durch die Bude transportieren – sprich: man lässt es lieber sein. Deshalb, denkt sich Valve, wäre ein kompakter Spezialcomputer für die gute Stube eine feine Sache, der sich leise und harmonisch in die Wohnlandschaft einfügt. Und der mit einem Spezial-Gamepad versehen ist, das Maus und Tastatur bei der Spielsteuerung weitgehend ersetzen kann.

Mehr Auswahl, mehr Risiko

„Steam Machines“ nennt sich die neue Hardware-Familie, die im Laufe des Jahres 2014 mit PlayStation, Xbox & Co. konkurrieren will. Auf der Consumer Electronic Show im Januar kündigten 14 Firmen eine bemerkenswert breite Modellpalette an, vom 500-Dollar-Maschinchen der Marke iBuyPower bis zum 6000-Dollar-Boliden von Falcon Northwest. Wie im PC-Markt gibt’s unterschiedlich leistungsstarke Hardware fürs Geld, Komponenten wie CPU, Grafikkarte oder Festplattenspeicher sind nicht einheitlich genormt. Der Kunde hat dadurch mehr Auswahl und Flexibilität – aber auch mehr Risiken als der Käufer einer herkömmlichen Spielkonsole. Denn wer heute eine PS4 oder Xbox One erwirbt, macht eine relativ zukunftssichere Investition. Auch in fünf Jahren wird es noch neue Spiele für diese geschlossenen Systeme geben. Vor allem kann der Spieler beruhigt schlafen, weil seine Konsole von heute auch dann noch technisch in der Lage sein wird, die neue Software tadellos abzuspielen.

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Innerhalb einer Konsolengeneration ändern sich vielleicht Preis, Gehäusegröße und Festplattenkapazität, aber Prozessoren und Grafikleistung werden nicht ständig nach oben geschraubt. Solche regelmäßigen Upgrades machen das Spielen am PC so schön, anspruchsvoll, aber auch anstrengend, da die Technologie schneller veraltet. Steam Machines bringen dieses Risiko ins Wohnzimmer: Manche Modelle soll man upgraden können, aber in welchem Maße und zu welchem Preis, ist noch unklar.

Stattliche Software-Bibliothek

Ein großer Vorteil der Steam Machines ist die vorhandene Software-Bibliothek. Wer bereits ein Steam-Konto besitzt, wird zumindest einen Teil seiner Spiele automatisch auf dem neuen Wohnzimmer-Rechner zocken könnten. Die Maschinen verwenden statt Windows die Linux-Variante Steam OS als Betriebssystem, weshalb nicht alle auf Steam angebotenen Titel automatisch oder von Beginn an kompatibel sein werden. Warum dieser Sonderweg statt Windows? Zum einen sparen sich Valve und seine Partner Lizenzzahlungen an Microsoft. Zum anderen soll das ganz auf Spiele ausgerichtete Steam OS etwas mehr Leistung aus der Hardware heraus kitzeln können, da das Betriebssystem schlanker ausfällt als Windows und dessen DirectX-Schnittstellen. Schlanker sind freilich auch die Einsatzmöglichkeiten: Auf Steam Machines kann man nur Games und andere Medien abspielen, aber sie sind nicht als vollwertige Computer konzipiert.

Wie ersetzt man nur Maus und Tastatur?

In den Gehäusen stecken herkömmliche PC-Komponenten, doch der Controller ist eine echte Hardware-Innovation. Statt des Konsolen-üblichen Stick-Pärchens betätigen die Spielerdaumen zwei kreisförmige haptische Trackpads. Auch Spiele, die für Maus- und Tastatursteuerung entwickelt wurden, sollen sich damit bequem von der Couch aus steuern lassen. Wie gut das in der Praxis funktioniert, bleibt abzuwarten: Valve hat die Arbeit am Controller noch nicht abgeschlossen und experimentiert mit dem Hardware-Design, um Feedback von Beta-Testern und Spiele-Entwicklern zu berücksichtigen. Zum Beispiel wurden im Januar 2014 Prototypen gesichtet, die statt eines Touchpads größere physische Tasten zwischen den Daumenfeldern haben.

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Steam-Maschine im Eigenbau

Offenheit ist etwas Schönes. Statt eine Steam Machine von der Stange zu kaufen, kann sich Jedermann sein eigenes System aus Standard-PC-Komponenten zusammen basteln. Man nehme: eine 64-Bit-CPU von Intel oder AMD, eine Nvidia– oder ATI-Grafikkarte und eine Festplatte mit mindestens 500 GByte Kapazität. Das Betriebssystem Steam OS lässt sich kostenlos downloaden und aufspielen – aber warum sollte man? Mit Windows oder Linux hätte man einen voll funktionstüchtigen Computer, doch Steam OS reduziert die Hardware auf eine Wohnzimmer-Abspielstation für jene Software, die man vielleicht ohnehin besser mit Maus und Tastatur am Monitor zockt.

Fazit: Im Niemandsland zwischen PC und Konsole

Noch ist keine einzige Steam Machine erhältlich, mit konkreten Erscheinungsterminen hielten sich die meisten Firmen zurück. Alienware stellte September 2014 als Veröffentlichungsmonat für sein Modell in den Raum und deutete an, preislich mit PS4 und Xbox One konkurrenzfähig zu sein. Reicht das aus? Die Frage nach der Zielgruppe konnte Valve noch nicht überzeugend beantworten. Sind es gut betuchte PC-Zocker, die eine komfortable Wohnzimmer-Abspielmöglichkeit für einen Teil ihrer Software-Sammlung wünschen? Für Normalsterbliche macht es wohl mehr Sinn, das Geld in einen vollwertigen Computer zu stecken, der mehr als nur spielen kann. Wer dagegen möglichst stressfreie Entspannung sucht, ist bei herkömmlichen Spielkonsolen auf der sicheren Seite. Aber es wäre voreilig, Valves Standard jetzt schon abzuschreiben: Hardware, Preise oder Controller-Design sind noch nicht in Stein gemeißelt. Und gegenüber früheren Plattform-Versuchen haben die Steam Machines wichtige Startvorteile: Von relativ günstigen Basismodellen und einer großen Software-Bibliothek konnte Electronic Arts-Gründer Trip Hawkins nur träumen, als er vor zwei Jahrzehnten mit seinem 3DO-Standard scheiterte.

Erschienen am 12. März 2014 bei T-Online.