Steam Machine: Stark wie ein Gaming-PC, kompakt wie eine Wii
Die Firma hinter der Spieleplattform Steam will Xbox und Playstation 4 das Wohnzimmer streitig machen: mit einem ungewöhnlichen Controller und schick verpackter PC-Hardware. Wir haben Gamepad und Steam Machine ausprobiert.
Von Heinrich Lenhardt und Benedikt Plass-Fleßenkämper
Manchmal sind PC-Spieler neidisch auf Konsolenbesitzer – auch wenn diese Einschätzung vermutlich bei manchen Protest auslösen wird.
Am PC hat man zwar die größere Spieleauswahl und die bessere Grafik. Man kann seine Hardware aufrüsten und kommt beim Softwarekauf günstiger weg. Doch der Rechner steht in der Regel leider nicht im Wohnzimmer, unter dem großen Fernseher.
Ihre Desktop-Ungetüme schleppen aber nur echte Enthusiasten durch die Wohnung, zumal die Couchposition sich nicht gut mit Maus-und-Tastatur-Steuerung verträgt.
Ewig muss das aber nicht so bleiben, findet die US-Firma Valve, die zu wissen glaubt, was PC-Spieler wollen. Valve hat 1996 als Spielestudio begonnen und hat mit „Half-Life“ einen der bekanntesten Ego-Shooter entwickelt. 2003 starteten die Amerikaner die Onlineplattform Steam, die das Kaufen und Aktualisieren von Computerspielen über das Internet vereinfachte.
Zehn Jahre später schätzten Marktforscher, dass etwa 75 Prozent aller digitalen PC-Spiele über Steam verkauft werden. Der Service hat rund 125 Millionen Nutzer und expandiert munter weiter: Am 18. Oktober wurde ein neuer Rekord gemessen, über zehn Millionen Menschen waren gleichzeitig eingeloggt.
Damit diese zahlreichen Kunden von mehr Räumen aus auf ihre Spielesammlung und Freundesliste bei Steam zugreifen können, hat Valve neue Hardware entwickelt: einen Universal-Controller, ein Streaming-Kästchen und obendrein einen Standard für TV-freundliche PC, die sogenannten Steam Machines. Verkaufsstart der Neuheiten ist am 10. November, wir konnten schon Testmuster unter Wohnzimmerbedingungen ausprobieren.
1. Der Steam Controller: Ein Gamepad, das Maus und Tastatur ablösen soll
Der Steam Controller ist ein Eingabegerät, mit dem sich alle Steam-Spiele bedienen lassen. Er funktioniert sowohl mit den neuen Steam Machines als auch mit dem herkömmlichen PC.
Valve hat große Ambitionen, denn der Controller soll Maus und Tastatur ersetzen und auch mit älteren Titeln kompatibel sein, bei denen ein Gamepad-Gebrauch nicht vorgesehen war. Valve modifizierte jahrelang alle möglichen Prototypen, herausgekommen ist eine ansatzweise wuchtige Allround-Lösung.
Wo bei Videospiel-Gamepads üblicherweise zwei Eingabesticks emporragen, sind beim Steam Controller zwei nach innen gewölbte Trackpads eingebettet. Haptisches Feedback macht die Daumenbedienung angenehm und präzise, das rechte der beiden Pads bietet sich als Ersatz für Maus oder Trackball an.
Belegung nach Wunsch
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Platzierung der vier runden Knöpfe, die eng im unteren Bereich untergebracht sind. Neben den üblichen Schultertasten und einem Analog-Stick hat der Steam Controller auch zwei Grip-Schalter an der Unterseite, die sich sehr gut mit den Mittelfingern auslösen lassen.
Für jedes Spiel in unserer Steam-Sammlung können wir die Controller-Belegung individuell konfigurieren, was sehr komfortabel von der Hand geht. Die besten Resultate liefern offizielle, vom Spielanbieter bereitgestellte Templates. Steam-Nutzer können ihre persönlichen Konfigurationen mit dem Rest der Spielerschaft teilen.
Der Controller gefällt uns gut, trotz der ungewohnten Anordnung der Feuerknöpfe. Im Vergleich zum schlankeren Xbox-Gamepad liegt er etwas voluminöser in der Hand. Die Verarbeitung ist tadellos, die Daumenbedienung der Trackpads angenehm. Mit ihnen ist es ein Leichtes, den Mauszeiger in Point-and-Click-Genres wie Adventures oder Strategiespielen zu bedienen.
Die Präzision und Schnelligkeit der Eingabe mit Maus und Tastatur erreicht man aber nicht. Wenn es wie bei Online-Shootern stark auf die Reaktionsgeschwindigkeit ankommt, ist der Steam Controller wohl eher nicht die erste Wahl.
2. Steam Machine: Ein Gaming-PC mit eingeschränktem Spieleangebot
Unser Steam-Machine-Testgerät ist das Topmodell von Alienware mit einer Intel-i7-CPU, einem GTX-860-M-Grafikchip und 8 Gigabyte Arbeitsspeicher. Seine Hardware-Kraft sieht man dem kompakten Gehäuse kaum an. Das quadratische schwarze Kästchen ist leichter und kleiner als eine PlayStation 4 oder Xbox One. Unser Testgerät ist nicht zu verwechseln mit der Alienware Alpha, einem Wohnzimmer-PC, der unter Windows läuft.
Zwischen Einschalten und Betriebsbereitschaft vergehen bei unserer Steam Machine rund 40 Sekunden. Wer darauf achtet, vernimmt ein leises Grundrauschen als Betriebsgeräusch. Fordern grafisch anspruchsvolle Spiele die Hardware, werden die Lüfter etwas lauter, als ernsthaft störend haben wir sie aber nicht empfunden.
Im Mittelpunkt der aufgeräumten Steam-OS-Benutzeroberfläche stehen die Menüpunkte Shop, Spielesammlung und Community. Per Tastendruck können wir auch einen Browser aufrufen, der nötig ist, um Videoinhalte von Anbietern wie Netflix oder YouTube zu streamen. Spezielle Medien-Apps gibt es derzeit noch nicht für Steam OS, sie sollen aber später nachgeliefert werden.
Der vollständige Artikel ist am 21. Oktober 2015 bei Spiegel Online erschienen.