„The Witness“: Reif für die Knobel-Insel

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„The Witness“ wandelt auf den Spuren des Adventure-Klassikers „Myst“ und versetzt Sie auf eine mysteriöse Insel voller Rätsel und Abenteuer.

Von Stefan Wild und Benedikt Plass-Fleßenkämper

Mit „Braid“, einer innovativen Mixtur aus Denkspiel und 2D-Jump’n’Run, landete der Indie-Entwickler Jonathan Blow 2008 einen Überraschungshit. Jetzt ist nach über sieben Jahren Entwicklungszeit endlich sein neues Werk erschienen: „The Witness“ für PC und PS4 wandelt auf den Spuren des Adventure-Klassikers „Myst“ und versetzt Sie auf eine mysteriöse Insel voller Rätsel und Abenteuer.

Auf diesem Eiland ist der Spieler in der Rolle eines namenlosen Abenteurers gestrandet und muss fortan knapp 700 unterschiedlich anspruchsvolle Rätsel lösen, um das Geheimnis der Insel aufzudecken. Die Open-World-Knobelei begeistert dabei mit ihrem ebenso simplen wie herausfordernden Spielprinzip und großartigem Artdesign.

Raus aus dem Tunnel

The Witness wirft Sie gleich zu Spielbeginn ins kalte Wasser: Am Ende eines langen Tunnels findet man eine Tür, die verschlossen ist. Doch anstelle einer Türklinke hat sie ein Display, auf dem ein Muster abgebildet ist. Sie müssen nun das erste Rätsel des Spiels lösen – und lernen gleichzeitig die grundlegende Spielmechanik kennen. Es gilt, von einem Startpunkt aus per Maus oder Controller eine Linie bis zum Ziel zeichnen. Ist das geschafft, dann öffnet sich die Tür.

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In The Witness gibt es keine Feinde, keinen Zeitdruck, keine Action. Nicht einmal irgendwo hinunterfallen kann man, dafür sorgen unsichtbare Wände an Abhängen und Treppen ohne Geländer. So ist der Kopf frei für die zwei entscheidenden Aspekte des Spiels: die cleveren Schalttafel-Rätsel und ihre Umgebung.

Wunderschönes Eiland

Die Wanderung über die Insel versetzt den Spieler in eine friedvolle, fast schon meditative Grundstimmung. Es ist einfach schön hier. Die Sonne scheint, nur ein paar Schönwetterwolken sind am blauen Himmel zu sehen. Auf dem Land erstrecken sich zehn unterschiedliche Gebiete in farbenfroher Comic-Grafik, die Sie jederzeit erreichen und frei erkunden können. Das Angebot reicht von Wüste und Wald über ein Sumpfgebiet bis hin zu einer mittelalterlichen Burg und einem asiatisch angehauchten Tempel.

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Neben dem stilvollen Artdesign überzeugt The Witness mit schicken Licht- und Schatteneffekten sowie minimalistischer, aber stets passender Klangkulisse. Auf Musikuntermalung haben Jonathan Blow und seine Mitstreiter vom Entwickler Thekla bewusst verzichtet, um den Spieler nicht von der zauberhaften Insel-Atmosphäre abzulenken.

Alte Stärken, neue Wege

Schon Braid bestach durch ein ungewöhnliches Spieldesign. Blow erweiterte die bekannte Jump’n’Run-Mechanik um einen neuen Aspekt: Man konnte per Knopfdruck mit der im Spiel verstrichenen Zeit experimentieren. Das sorgte für ein völlig neues Spielgefühl, das mit Konventionen brach.

The Witness bereichert das Denkspiel-Genre ebenfalls um neue Facetten. Im Grunde ist das Spiel ein Walking-Simulator: Man läuft und erkundet die Welt. Sie stoßen währenddessen auf Notizen und Ton-Botschaften, aber auch Videos, die allerdings keine Geschichte erzählen. Vielmehr vermitteln sie philosophische Gedanken, die den Konflikt von technischem Fortschritt und geistiger Empfindsamkeit thematisieren.

Obwohl man die Spielwelt frei begehen kann, kommt man doch nirgends wirklich weit. Immer wieder stellen sich Ihnen besagte Schalttafeln in den Weg. Dabei ist man als Spieler komplett auf sich allein gestellt. Anweisungen, Erklärungen oder ein Tutorial? Fehlanzeige, denn Jonathan Blow möchte den Spieler herausfordern. Hier gibt es nur Sie, die Insel und die Rätsel. Klingt langweilig? Von wegen: Dass The Witness über seine Spielzeit von 80 bis 90 Stunden eine dermaßen fesselnde Wirkung entfaltet, liegt an der phänomenalen kreativen Vielfalt der Rätsel.

Der vollständige Artikel ist am 01. Februar 2016 bei T-Online erschienen.