„Thimbleweed Park“: Öffne Spiel. Löse Rätsel. Habe Spaß.

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So viel Retro-Rätselspaß wie in „Thimbleweed Park“ gab es lange nicht: Nach 30 Jahren ehren Veteranen der Gamesbranche das Adventure-Genre mit einer kniffligen Hommage.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper und Heinrich Lenhardt

Wir schreiben das Jahr 1987. Seit die alte Kissenfabrik abgebrannt ist, geht es mit dem Dörfchen Thimbleweed Park bergab. Zugenagelte Fenster und geschlossene Geschäfte säumen die Hauptstraße. Wenigstens haben der Okkultbuchladen und das Vakuumröhren-Fachgeschäft noch geöffnet. Der Radiosender verbreitet Verschwörungstheorien, in Taubenkostüme gekleidete Klempnerinnen untersuchen neben defekten Leitungen auch parapsychologische Vorfälle. Und dann ist da noch diese Leiche im Fluss, welche die Bundesagenten Ray und Reyes in das 80-Seelen-Nest führt.

So beginnt Thimbleweed Park, das neue Spiel von Ron Gilbert und Gary Winnick. Es ist ein Point-and-Click-Adventure im klassischen Stil, das an die Vergangenheit des Genres erinnert. Als die beiden Entwickler 2014 auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter die Anschubfinanzierung für Thimbleweed Park starteten, hieß es: „Als würde man eine staubige alte Schreibtischschublade öffnen und darin ein bisher unentdecktes LucasArts-Adventure finden“. Rund 620.000 Dollar brachte dieses Versprechen ein. Der Erfolg überraschte Gilbert, wie er im Gespräch mit ZEIT ONLINE sagt: „Viele Unterstützer hatten mit anderen Kickstarter-Projekten schlechte Erfahrungen gemacht und wir wussten nicht, ob sie uns eine Chance geben würden.“

Rätselhaftes Comeback

Um diesen Erfolg zu verstehen, muss man ins Jahr 1987 reisen. Nicht in die fiktive Welt von Thimbleweed Park, sondern auf die Skywalker Ranch von Lucasfilm in Nordkalifornien. Abenteuerspiele hat es schon vorher gegeben – englischsprachige interaktive Geschichten mithilfe von Texteingaben. Doch mit der Veröffentlichung von Maniac Mansion heißt es plötzlich klicken statt tippen: Die Spieler wählen zwischen vorgegebenen Verben, die sie mit Inventarobjekten und Spielweltdetails kombinieren. Aus diesem Prinzip ergibt sich der Name des neuen Adventure-Genres: Point-and-Click.

Mit Innovationen wie dem Umschalten zwischen verschiedenen Protagonisten, dem filmähnlichen Inszenierungsstil und klug konstruierten Rätseln dominiert die Lucasfilm-Spieleabteilung LucasArts in den kommenden Jahren die Welt der Point-and-Klick-Adventures. Bis Mitte der neunziger Jahre bringt das Studio Klassiker wie Zak McKrackenThe Secret of Monkey Island oder Day of the Tentacle hervor.

Die beiden Gamedesigner Gary Winnick und Ron Gilbert waren bereits an der Entwicklung von Maniac Mansion beteiligt. Gilbert gilt spätestens seit seinen beiden Monkey-Island-Spielen mit dem tollpatschigen Pseudopiraten Guybrush Threepwood in der Hauptrolle als so etwas wie der Point-and-Click-Papst, der skurrile Charaktere, pointierte Dialoge und einfallsreiche Puzzles zu komödiantischen Kunstwerken verbindet. Dass Gilbert heute noch so viele Unterstützer für ein neues Spiel im klassischen Stil findet, liegt nicht zuletzt an diesem Vermächtnis.

Geschichten mit neun Verben

An die guten alten Zeiten erinnert in Thimbleweed Park nicht nur das Personal. Auch die Bedienung verwendet dieselben neun Verben wie Monkey Island. Der Mikrowellen-Hamster oder die Pepsi-Dose aus Maniac Mansion werden in Thimbleweed Park ebenso zitiert wie die Kettensäge, für die eine ganze Spielergeneration vergeblich Benzin suchte. Dem Commodore 64 wird vielfach gehuldigt und eine der Protagonistinnen träumt davon, als Spieldesignerin bei „MmucasFlem“ (alias Lucasfilm) zu arbeiten.

Es gibt also viel zum Wiedererkennen, ohne dass sich Uneingeweihte abgeschreckt fühlen sollten. Denn Handlung und Rätsel setzen keine Vorkenntnisse der alten Spiele voraus. Zudem richtet sich eine gemütliche Spielvariante mit reduzierter Puzzledichte an Einsteiger. Sie enthält die komplette Geschichte, verzichtet aber zugunsten schnellerer Erfolgserlebnisse auf einige Zusatzrätsel.

Der vollständige Artikel ist am 30. März 2017 bei Zeit Online erschienen.