„Until Dawn“: Herzrasen im Hochgebirge

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Acht Freunde, eine Hütte, ein Killer: Der Teenie-Slasher „Until Dawn“ ist ein interaktiver Film mit gut platzierten Schockmomenten.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Als „Until Dawn“ auf der Gamescom 2012 erstmals vorgestellt wurde, war das Staunen groß: Mit viel Gespür für gut getimte Schockmomente und einer sinnvoll umgesetzten Bewegungssteuerung gelang es Entwickler Supermassive Games, den schlüpfrig inszenierten Teenie-Slasher als neuen Hoffnungsträger für Sonys Playstation Move-Sortiment zu etablieren. Doch dann kam alles ganz anders: Die Konjunktur für die semipopuläre PS3-Fuchtelsteuerung flaute ab, und die Macher entschlossen sich, das Spiel in komplett neuem Gewand und mit Unterstützung namhafter Hollywood-Schauspieler exklusiv für die PS4 zu veröffentlichen. Knapp drei Jahre später ist Until Dawn endlich fertig und schickt sich, die Herzen von Survival-Horror-Fans im Sturm zu erobern.

Aufwühlender Auftakt

Der aus Third-Person-Perspektive dargestellte Nervenkitzel startet mit einem dramatischen Prolog. Die voll spielbare Sequenz erzählt von einer entlegenen Berghütte und zehn Teenagern, die sich dort zum Feiern treffen. Doch was friedlich beginnt, mündet schon bald in einer Katastrophe. Denn sechs der Heranwachsenden erlauben sich einen miesen Streich mit ihrer Freundin Hannah. Ohne zu viel zu verraten: Hannah ist so erbost von der Aktion, dass sie unter Tränen Reißaus nimmt und bei klirrender Kälte in den Wald rennt. Dicht gefolgt von ihrer Schwester Beth, die eigentlich gar nichts mit der Sache zu tun hat und nur Trost spenden möchte.

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Was dann passiert, ahnen Kenner gepflegter Teenie-Slasher-Filme à la „Evil Dead“ oder „Scream“ wahrscheinlich schon: Irgendjemand oder irgendetwas macht mit verstörenden Geräuschen auf sich aufmerksam, versetzt die emotional ohnehin schon angeschlagenen Mädchen in Panik und hetzt sie wie Tiere durchs düstere Geäst. Weitere Details sparen wir uns an dieser Stelle, um die Spannung zu wahren. Fest steht nur, dass Beth und Hannah seit diesem Tag als vermisst gelten.

Im Visier eines Serienmörders?

Was bleibt, ist ein schwerer Schock für die gesamte Clique – insbesondere für Josh, den älteren Bruder der Vermissten. Er trauert am meisten und tut alles, um auf seine Weise mit dem Unglück klarzukommen. Was ihn letztendlich auch auf die verzweifelte Idee bringt, ein Jahr nach der Tragödie ein Gedenktreffen in eben jener Hütte zu veranstalten, wo das Schicksal seinen Lauf nahm. Sozusagen, um seine verschollenen Schwestern gemeinsam zu ehren. Dass die Polizei zeitgleich nach einem gefährlichen Straftäter in der Region fahndet, scheint niemanden so richtig zu beunruhigen.

Und so bahnt sich langsam ein beklemmender Überlebenskampf an. Verteilt über insgesamt zehn Kapitel, schlüpfen Sie nach und nach in die Rollen der insgesamt acht Charaktere und erleben eine interaktive Horrorgeschichte, die sich in Sachen Gameplay und Struktur viel bei Quantic Dreams „Heavy Rain“ abguckt. Immer wieder wird der Spieler mit Quicktime-Reaktionstests und Entscheidungssituationen konfrontiert, die den weiteren Verlauf der Story auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Das Ganze geht sogar so weit, dass am Ende jede Hauptfigur überleben oder sterben kann. Natürlich sind auch sämtliche Konstellationen dazwischen möglich, was laut Entwickler zu mehreren Hundert Endsequenzen führt.

Leben und sterben lassen

Das Faszinierende an Until Dawn: Sobald ein Held stirbt, speichert das Spiel automatisch ab und spinnt die Geschichte unter Berücksichtigung sämtlicher Konsequenzen weiter. Einen klassischen „Game Over“-Bildschirm werden Sie hier also nicht erleben. Im Hauptmenü einen älteren Spielstand aufrufen, das ist ebenfalls nicht vorgesehen. Die einzige Option, den Tod einer Figur rückgängig zu machen, besteht darin, ganz von vorn zu beginnen.

Spätestens, wenn Sie den ein oder anderen Teenager ins Herz geschlossen haben und dessen Leben plötzlich am seidenen Faden hängt, entfaltet Until Dawn dann auch eine unglaubliche Sogwirkung. Die innerliche Anspannung des gerade aktiven Helden überträgt sich förmlich auf den Spieler und lässt ihn umso intensiver mitfiebern. Das gilt insbesondere für zahlreiche Reaktionstests in der zweiten Spielhälfte, wo jedes zu späte Drücken der eingeblendeten Taste den sicheren Heldentod bedeuten kann. Die gute Nachricht: Die Macher geben dem Spieler auch abseits flinker Reflexe Mittel und Wege an die Hand, das Schicksal seiner Schützlinge in die gewünschten Bahnen zu lenken.

Der vollständige Artikel ist am 26. August 2015 bei T-Online erschienen.