Von der Offenbarung zur Erleuchtung: „GTA 5“ für Next-Gen im Test
Action-Meilenstein im Luxusformat: Das beste Spiel der alten Konsolengeneration kommt jetzt für die Next-Gen-Konsolen.
Von Michael Förtsch/bpf
So schön war Autodiebstahl noch nie! Mit dem fünften Teil von „Grand Theft Auto“ (kurz: GTA 5) haben die Entwickler von Rockstar Games im September 2013 den Höhepunkt der vergangenen Konsolengeneration kreiert: Ein Open-World-Epos mit gigantischer Kulisse und irren Charakteren. Genüsslich wird darin der amerikanische Traum parodiert und filmische Kultwerke wie „Heat“ und „Goodfellas“ oder der TV-Hit „Breaking Bad“ zitiert. Nun endlich haben die Macher das gefeierte Actionspiel für die neuen Konsolen PS4 und Xbox One portiert und ordentlich mit Zusatzinhalten aufgebohrt. Das gepimpte GTA 5 ist dabei aber mehr als nur HD-Fassung, sondern der bisher beste Grund, auf die neuen Konsolen umzusatteln.
Zurück nach Los Santos
Essenz und Story des Gangster-Epos blieben identisch. Noch immer dreht sich alles um den reichen Gangster Michael, den wahnsinnigen Trevor und Franklin, einen Hip-Hop-Kleinkriminellen. Allesamt wollen sie in der fiktiven Kalifornien-Kopie Los Santos County nochmal richtig abräumen. Dabei können Sie in die Leben der drei grundverschiedenen Antihelden samt deren bizarren Nebenmissionen eintauchen, verschiedenste Aufgaben angehen oder einfach tun und lassen, was Sie möchten. Schließlich ist GTA 5 der Inbegriff einer offenen und freien Spielwelt, die von der boomenden Metropole über lauschige Wälder bis hin zum Wüstenkaff alles bietet. Das war schon vor über 13 Monaten eine kleine Offenbarung – und ist jetzt eine Erleuchtung.
Alles Ego, oder was?
Selbst wer GTA 5 schon kennt, darf sich auf eine neue Erfahrung einstellen. Tatsächlich lässt sich die sonst stets aus der Verfolgeransicht gespielte Actionspiel-Reihe nämlich erstmals aus der Ego-Perspektive erleben. Bisher haben das nur Fan-Modifikationen für frühere GTA-Ableger ermöglicht. Ein Knopfdruck, und das Spiel lässt Sie durch die Augen des Protagonisten blicken. Und das in jeder Situation. Dies eröffnet – sprichwörtlich – eine andere Perspektive: Ob man nun Michaels edle Villa inspiziert, durch die Straßen schlendert oder im Stripclub den Mädels beim Tanzen zuschaut – es ist unglaublich, was für einen Unterschied das macht!
Noch intensiver ballern
Während sich das Fahren aus der Cockpit-Sicht ein wenig gewöhnungsbedürftig gestaltet, sind die Schießereien im Ego-Shooter-Stil zwangsläufig durchaus einfacher. Großartig dabei: Egal, ob Waffe, Rennwagen-, LKW- oder Helikopter-Cockpit, alles ist gewissenhaft umgesetzt und gestaltet. Gewehre zeigen zum Beispiel Herstellerprägungen und Sicherungshebel, in Fahr- und Flugzeugen finden sich funktionierende Tacho und gar Höhen- und Neigungsmesser. Schön für Traditionalisten: Ein Knopfdruck, und schon schaut man wieder aus gewohntem Abstand auf den Heldenrücken.
Dicke Zugabe
Rockstar Games hat aber noch viel mehr obendrauf gepackt. Seien es nun Zusatzaufgaben wie eine Mörder-Mystery-Mission im Stile des Krimi-Adventures „L.A. Noire“, ein Stock-Car-Rennen, eine Fotosafari oder schräge Zufallsbegegnungen, alles fügt sich perfekt in die ohnehin schon üppige Geschichte ein. Dazu kommen neue Waffen wie eine Railgun-Science-Fiction-Knarre, eine Axt und weitere Gerätschaften, mit denen Sie für Angst und Schrecken sorgen. Wird man dann von der Polizei verfolgt, hat man eine gute Chance, mit einem von 30 neuen Fahrzeugen zu fliehen und dabei einen von 150 neuen Songs zu lauschen. Der Online-Modus wurde ebenfalls überarbeitet und lässt jetzt 30 statt 16 Spieler zu, die ihren Gangster in einem umfangreichen Charakter-Editor gestalten. Die wohl augenfälligste Neuerung liegt aber in der Optik: Zwar war GTA 5 schon auf den alten Konsolen ein schickes Spiel, nun ist es jedoch einfach eine Augenweide.
Alles einfach hübscher!
Rockstar Games demonstriert, was möglich ist, wenn man sich nicht nur mit höher aufgelösten Texturen und einigen Lichteffekten zufrieden gibt, sondern viel Mühe, Zeit und Technik investiert. Wandern Sie etwa durch den Wald um Mount Chiliad, erkennen Sie, dass die Stämme von Bäumen nun knorriger sind, mehr und feinere Blätter an den Ästen flattern. Wo einst eine Wiese mit nur einigen Grasbüscheln war, wuchert nun dichtes Gestrüpp samt Blumen, das sich beim Hindurchgehen zur Seite wiegt. Früher flache Kakteen in der Wüste sind jetzt von hunderten Stacheln besetzt; ein heißes Flirren verleiht der Einöde eine drückend heiße Optik.
Gebäude wirken insgesamt plastischer, lassen Backsteine und abblätternden Putz hervortreten. Figuren in der ganzen Welt fallen durch deutlich feinere Konturen, Falten im Gesicht und sichtbare Nähte auf der Kleidung auf. Und rauscht man nachts durch Vinewood, strotzen die Fahrzeuge vor zusätzlichen Reflexionen durch Neonwerbetafeln und Laternen. Regnet es obendrein, dann sammelt sich Wasser in wunderschönen Pfützen, die das Licht der Scheinwerfer widerspiegeln. Die Präsentation verdient sich schlichtweg das Prädikat „prachtvoll“!
Was uns gefällt
War GTA 5 schon zuvor ein riesiges Actionspiel-Paket, ist es nun ein ganzer Frachtcontainer. Zwar hat sich die Spielwelt gegenüber dem Original nicht erweitert, doch alles in ihr ist gewachsen: 30 neue Autos, Boote und ein Monstertruck kommen hinzu, zudem 150 neue Lieder von Robbie Williams, den Backstreet Boys und 2Pac. Jeder der drei Helden hat nun frische Nebenmissionen. Vor allem die grundrestaurierte Grafik beeindruckt mit herrlichen Details, strahlenden Lichteffekten, glaubhafterer Mimik, menschlicheren Figuren, flüssigeren Animationen und einer fantastischen Weitsicht. Im Wind flatternde Stofffetzen, sich wiegende Äste und neigendes Gras sorgen für mehr Bewegung in den Kulissen. Die erhöhte Spielerzahl von 16 auf 30 Hobby-Gauner hat dem Online-Modus gut getan.
Was uns nicht gefällt
Nur einige wenige Macken fallen im Spielverlauf auf – die allerdings nicht stark ins Gewicht fallen. Unschärfeeffekte, die der Optik ein cineastischen Flair verleihen sollen, wirken leider gezwungen und dürften nicht jedem Spieler zusagen. Vor allem in Feuergefechten aus der neuen Ego-Ansicht blendet der Effekt ungewollt potenzielle Feinde aus oder schaltet auf das falsche Ziel scharf. Die langen Ladezeiten zu Spielbeginn stoßen auf, sind jedoch gegenüber der Originalfassung für die alten Konsolen deutlich verkürzt.
Fazit
Es hat gedauert, doch das Warten hat sich gelohnt! Mit Grand Theft Auto 5 beweist Entwickler Rockstar Games, dass man mit einer Portierung eines Xbox-360- und PS3-Titels auf die neuen Spielekisten weitaus mehr abliefern kann als nur bessere Optik. Tatsächlich wirkt dieses GTA mit all den Neuerungen, Zusatzinhalten und Verbesserungen, aber eben auch der unglaublich hübschen Grafik, als wäre es eine komplette Neuentwicklung für aktuellen Konsolen von Sony und Microsoft. Los Santos ist noch lebendiger, das Spielerlebnis noch umfangreicher. Und die spielerischen Möglichkeiten waren nie vielfältiger. Damit ist eines der besten Spiele der letzten Konsolengeneration noch großartiger geworden. Wer noch einen definitiven Grund sucht, sich endlich eine Xbox One oder PS4 zu holen: Hier ist er!
Infos zum Spiel
Titel: GTA 5
Genre: Actionspiel
Publisher: Rockstar Games
Hersteller: Rockstar North
Release: Im Handel
Preis: zirka 60 Euro
System: PS4, Xbox One
USK-Freigabe: Ab 18 Jahren
Wertung: Sehr gut
Erschienen am 20. November 2014 bei T-Online.