VR-Brille Project Morpheus: Sonys Einstieg in virtuelle Welten

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Sony will den Virtual-Reality-Trend nicht verpassen. Wir haben uns Project Morpheus angesehen.

Von Sandro Odak

Oculus VR hat einen neuen Trend gesetzt: Mit der VR-Brille Oculus Rift, die virtuelle Welten nur wenige Zentimeter vor den Augen ihrer Betrachter in 3D generiert, sorgte die kleine Firma für viel Aufsehen in der Technik-Welt. Nachdem Facebook den Hersteller hinter der Trendsetter-Brille „Oculus Rift“ für zwei Milliarden Dollar gekauft hat, scheint klar: Virtual Reality ist das nächste große Ding, dem jeder in der Spiele-Branche hinterherjagt. Da will auch der in wirtschaftlichen Turbulenzen steckende Weltkonzern Sony vorne mit dabei sein. Aktuell gehört die Spiele-Abteilung mit dem Playstation-Geschäft zu den wenigen Cash-Cows der Japaner. Das „Project Morpheus“ soll dafür sorgen, dass das so weitergeht und Sony den Trend nicht verpasst, sondern von Anfang mit von der Partie ist.

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Projekt Morpheus: Sony will den VR-Trend auf keinen Fall verpassen

Auf der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco stellte Sony im März 2014 seinen Oculus-Rift-Konkurrenten mit dem Codenamen „Project Morpheus“ vor. Sony setzt bei seiner VR-Designstudie schon jetzt auf eine eher helmartige Form. Die VR-Brille für die PS4 besteht aus zwei miteinander verbundenen Teilen, einem 3D-Display und einer Festzurr-Applikation. Letztere verteilt das Gewicht von Sonys Brille auf den gesamten Kopf; die Größe lässt sich unkompliziert mit einem Feststellrad einstellen.

Im Display-Part verbaut Sony zwei separate LCD-Bildschirme, die ein kristallklares Bild mit einer Auflösung von insgesamt 1920 x 1080 Bildpunkten darstellen. Project Morpheus rechnet Kopfbewegungen im Spiel in Steuerimpulse um, dadurch entsteht das Gefühl, man würde in der Spielfigur stecken. Dreht man seinen Kopf nach links, schaut man auch im Spiel in diese Richtung. Die Verzögerung ist fast nicht spürbar. Das beeindruckende Resultat: Die Grenzen zwischen Realität und virtuellem Raum verschwimmen.

VR-Brillen: Morpheus im Vergleich mit Oculus Rift

Da Sonys Entwurf nicht der erste am Markt ist, muss sich der japanische Konzern den Vergleich mit dem Auslöser des Booms gefallen lassen. Von der Auflösung sind sich Morpheus und Rift zunächst recht ähnlich: Die beiden Geräte bieten eine Full-HD-Auflösung von 1080p. Allerdings setzt Sony auf einen LCD-Schirm, der fast kein erkennbares Pixelmuster aufweist. Oculus VR hingegen verbaut modernere OLED-Displays, die grundsätzlich heller sind und eine schnellere Bildwiederholrate haben. So vermeiden die Datenbrillen-Pioniere ein Schlieren im Bild. Jedoch erkennt man bei letzterem deutlich ein Gitterraster.

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Der Sichtbereich ist bei beiden Geräten fast so groß, dass man die Ränder der Displays nicht mehr erkennt. Die Oculus Rift hat ein Blickfeld von 110 Grad. Das entspricht fast dem gesamten Sichtbereich eines Menschen. Es entsteht ein Gefühl von Immersion, ein Mittendrin-Gefühl. Nur an den Nasenflächen fallen gelegentlich Lichtstrahlen ein, die diesen Effekt trüben. Project Morpheus hingegen steht aktuell bei nur 90 Grad. Das Sichtfeld wirkt etwas schmaler; wer genau hinguckt, erkennt das Ende des Displays. Sony schirmt seine Datenbrille jedoch mit einer flexiblen Gummidichtung besser ab, die sehr eng am Gesicht anliegt. Dadurch bricht kein Licht ein, unter der Brille wird es aber warm. An den Gummirändern beginnt der Benutzer zu schwitzen – in Sachen Langzeit-Tragekomfort durchaus ein Problem.

Ansprechendes Design

Das Design von Project Morpheus ist deutlich überzeugender als bei der Rift. Sony setzt auf geschwungene Linien und einen kleinen Formfaktor mit runden Ecken. Die Brille sieht futuristisch aus, eben wie eine Designstudie. Das Oculus Pendant wirkt hingegen ist noch immer klobig. Die Vergangenheit als Technologie-Prototyp merkt man der Brille an. Die erste Version bestand aus einer Skibrille, an die man mit Klebeband zwei kleine Monitore angebracht hatte. Merklich hübscher ist die Rift seitdem nicht geworden.

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Auffällig bei der Morpheus-Brille sind auch die Leuchtdioden an der Vorder- und Hinterseite. Durch sie bestimmt eine externe Kamera Kopfbewegungen und die Position im Raum – und zwar im 360-Grad-Radius. Das aktuelle Development Kit 2 von Oculus VR kann nur nach vorne gerichtet die exakte Position im Raum erkennen.

Bessere Lastverteilung

Durch den zweigeteilten Aufbau der Morpheus-VR-Brille ist deren Tragekomfort im Vergleich zum Konkurrenzprodukt bedeutend besser. Sony verteilt die Last der LCD-Bildschirme nicht nur mit einem flexiblen Band auf die Schädel-Außenseite, sondern auf den gesamten Kopf. Mit Feststellrädern kann man die Konstruktion festzurren und auf die Größe einstellen, die man benötigt. Die Brille ist theoretisch komplett von der Kopfpartie losgelöst und ließe sich eventuell sogar durch ein Scharnier hochklappen, ohne die gesamte Konstruktion vom Kopf zu nehmen. Das ist von Vorteil, weil beide VR-Brillen keine eigenen Soundsysteme haben. Über die Brille zieht man also auch noch ein Headset – ein echtes Problem, wenn man nach einer Spiele-Session das Ganze mal kurz ablegen will.

Wie fühlt sich Project Morpheus an?

Setzt man die Project Morpheus-Brille zum ersten Mal auf, versinkt man komplett in einer anderen Welt. Wir konnten auf dem Eve-Fanfest in der isländischen Hauptstadt Reykjavik Hand anlegen und den Weltraum-Shooter „Eve Valkyrie“ anspielen. Darin fliegt man als Pilot mit einem Raumschiff durchs All und muss Feinde abschießen. Gar nicht so einfach, weil die Orientierung im dreidimensionalen Raum ungewohnt ist.

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Das Spielkonzept unterstreicht, wo die Zukunft dieser VR-Brillen liegt: Alle Spielinformationen muss man an Armaturen im Cockpit ablesen und damit auch seinen Kopf bewegen. Das fühlt sich natürlich an, anders als die optionale Steuerung mit einem Joystick. Auch Rennspiele können von dieser Entwicklung profitieren: Die bislang nur bei Profis beliebte Innenperspektive würde mit einer Datenbrille wie „Project Morpheus“ endlich Sinn machen, weil eine Kopfbewegung in den Rückspiegel weniger ablenkt, als der Perspektivwechsel per Knopfdruck.

Fazit: Besser durchdacht als Oculus Rift – aber weit von der Marktreife entfernt

Project Morpheus besticht im Vergleich mit der Oculus Rift vor allem durch sein durchdachtes Design. Sony hat sich merklich Mühe gegeben, seine VR-Brille nicht nur für Technik-Freaks interessant zu gestalten. Der japanische Konzern guckt sich stattdessen eine Taktik von Apple ab: Die Gimmicks von morgen müssen nicht nur einwandfrei funktionieren, sie müssen auch cool genug aussehen, um bei Konsumenten im Wohnzimmer zu landen. Marktreif sind die Datenbrillen von Sony und Oculus VR aber noch nicht. Angeblich soll die Massenfertigung noch 2014 anlaufen, Anzeichen dafür gibt es aber noch nicht. Und selbst wenn es soweit ist: Solche Hardware benötigt auch entsprechende Spiele, die für Interesse sorgen. Von denen ist bislang aber auf weiter Flur nichts zu sehen. Und eine neue Technologie zu veröffentlichen, wo es noch gar kein Publikum gibt, kann sich Sony derzeit nicht leisten.

Erschienen am 04. Juni 2014 bei T-Online.