Computerspiele: Nutzerprofile machen unsterblich

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Ein Sohn findet den Geist seines toten Vaters in einem Rennspiel: Computerspieler hinterlassen nach ihrem Tod sichtbare Spuren.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Unsterblichkeit war schon immer ein Traum der Menschheit. Noch können Menschen, die sich nach ihrem Tod einfrieren lassen, in der Zukunft nicht wieder lebendig aufgetaut werden. Aber immerhin dürfen sich Spieler und Internetnutzer damit trösten, dass sie nach ihrem Lebensende womöglich weiterhin gegenwärtig sind.

Wie ein verstorbener Fan des MMORPGs World of Warcraft (WoW). In diesen Tagen erhalten Spieler, die seit dem WoW-Start vor zehn Jahren über ein dauerhaftes Abonnement für das Online-Rollenspiel verfügen, eine Jubiläumsstatue als Geschenk. Sie ist der vor dem Blizzard-Hauptquartier im kalifornischen Irvine aufgestellten Ork-Skulptur nachempfunden. Die WoW-Spielerin Mortisana berichtet im offiziellen US-Forum des Spiels, dass auch ihr toter Vater mit einer der Statuen für seine Treue geehrt worden sei.

wow

Mortisana hatte WoW gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Vater vom ersten Tag an gespielt. Während das Ehepaar jedoch immer wieder Pausen einlegte, unter anderem wegen der Geburt seines Sohnes, spielte der seit einem Schlaganfall körperlich stark beeinträchtige Senior begeistert weiter. „Er verließ das Haus nicht sehr oft, er konnte kaum laufen. WoW war seine Welt, seine Flucht. Das Spiel war eines der wenigen Dinge, die ihm Glück bescherten“, schreibt die 40-Jährige.

Im März 2014 starb ihr Vater, woraufhin sie ihr und sein Abo kündigte. „Ich konnte mich nicht mehr einloggen, ohne an ihn zu denken“, schreibt sie. Als der mittlerweile achtjährige Sohn den Wunsch äußerte, selbst einmal WoW zu spielen, reaktivierte Mortisana das Konto des verstorbenen Vaters. „Nun spiele ich mit meinem Sohn auf dem Account, den mein Vater so viel gespielt hat. Er würde es lieben, dass sein Enkel das Spiel so genießt.“

Als Blizzard Mitte Januar mit den Aussendungen der Treuestatuen begann, bedachte es – wenn auch unwissend – auch den toten WoW-Spieler. „Heute rief mich meine Mutter an und sagte, dass ein Paket von Blizzard vor der Haustür stand. Danke Blizzard, ich werde immer diese Statue anschauen und mich daran erinnern, wie viel Freude ihr meinem Vater und mir gegeben habt“, schreibt Mortisana im Forum.

wowstatue

Blizzard führt keine Statistiken darüber, wie viele Angehörige die Accounts verstorbener Spieler pflegen oder weiterspielen, wie Golem.de auf Nachfrage mitgeteilt wurde. Man kann also nur mutmaßen, dass sich unter den inaktiven WoW-Konten auch im Wortsinn etliche Karteileichen befinden. Fakt ist aber, dass die Entwickler im Laufe der Zeit viele Charaktere, Orte, Gegenstände oder Objekte Spielern gewidmet haben, die gestorben sind.

Wer beim Streifzug durch das MMORPG die Augen aufhält, findet etliche Erinnerungen an Dahingeschiedene, zum Beispiel ehemalige Blizzard-Mitarbeiter oder den 2008 im Alter von zwölf Jahren an einem Gehirntumor gestorbenen Ezra Phoenix Chatterton.

Auch prominenter Persönlichkeiten wird in dem Online-Rollenspiel gedacht. Seit der jüngsten WoW-Erweiterung Warlords of Draenor ist etwa der im August 2014 verstorbene US-Schauspieler Robin Williams Teil des Fantasy-Kontinents Azeroth. Er war selbst ein leidenschaftlicher Videospieler und benannte seine Tochter Zelda nach dem Nintendo-Spiel The Legend of Zelda. Blizzard hat ihn als NPC im Spiel unsterblich gemacht.

Eve Online: Der Tod des US-Diplomaten Sean Smith

Sean Smith, Anhänger des Weltraum-MMORPG Eve Online und besser als Vile Rat bekannt, hat ebenfalls seinen Platz in der virtuellen Unendlichkeit gefunden. Sein Tod erregte 2012 Aufsehen in der Spieleszene. Smith war ein äußerst aktives Mitglied der Eve-Community. Er setzte sich als Mitglied desCouncil of Stellar Management für die Belange der Eve-Spieler ein.

Bei einem Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi kam er ums Leben – kurz zuvor hatte er noch Eve Online gespielt. Laut der US-Webseite Kotaku waren seine letzten in den Spielchat getippten Worte: „Nehme an, wir sterben nicht heute Nacht. Wir haben jemanden von unserer ‚Polizei‘, die das Gelände bewachen, Fotos machen sehen.“

Smith wurde von den Eve-Spielern in Form von Ingame-Erinnerungen, die man sich in einem Abschiedsvideo ansehen kann, ein virtuelles Denkmal gesetzt. Zudem hat ihn Eve-Entwickler CCP Games in der realen Welt verewigt: Smiths Name ist auf der Bodenplatte eines Monuments eingraviert, das im vergangenen Jahr einen Tag vor dem Eve-Fanfest in Reykjavik zu Ehren der Spieler von Eve Online enthüllt wurde.

Der vollständige Artikel ist am 29. Januar 2015 bei golem.de erschienen.