Mehrfrontenkrieg in Tamriel: „The Elder Scrolls Online“ im Test

t-online_kleinER

Die epische Rollenspiel-Reihe geht online: Funktioniert das?

Von Karsten Scholz

Nach dem riesigen Erfolg von „Skyrim“ wechselt die „The Elder Scrolls„-Serie mit ihrem neuesten Ableger ins Genre der Online-Rollenspiele. Seit dem 4. April darf man sich in The Elder Scrolls Online auf PC und Mac an der Seite zigtausend anderer Spieler nach Tamriel wagen, um dem Daedra-Fürst Molag Bal die Stirn zu bieten. Das Erstlingswerk der Zenimax Online Studios setzt einen großen Fokus auf die Fraktionskampagnen und entstaubt mit abwechslungsreichem Quest-Design im Vorbeigehen das eingerostete MMORPG-Genre. Dennoch reicht es nicht ganz zum großen Wurf, weil gerade die Macken im Zusammenspiel für einen kräftigen Tritt auf die Spielspaß-Bremse gut sind.

Molag Bal gelüstet es nach Tamriel

The Elder Scrolls Online (kurz: „TESO“) spielt etwa 1000 Jahre vor den Geschehnissen von Skyrim: Der daedrische Fürst Molag Bal will ganz Tamriel unterwerfen und sämtliche Bewohner des Kontinents zu Sklaven machen. Seine Chancen stehen gut, denn die drei dort angesiedelten Fraktionen Dolchsturz-Bündnis, Ebenherz-Pakt und Aldmeri-Dominion haben nur den vakanten Rubinthron von Tamriel im Blick und reiben sich gegenseitig in den großen Belagerungsschlachten in Cyrodiil auf. Da gilt das alte Motto: Wenn drei sich streiten, freut sich der Vierte.

teso02

Die Helden-Erweckung

Bevor man sich den Problemen in Tamriel annehmen kann, muss man zuerst einen individuellen Avatar kreieren. Eine hagere Dunkelelfin etwa oder einen stattlichen, mit Tattoos und Narben übersäten Nord. Die Wahl des Volkes entscheidet nicht nur über den Look, sondern bestimmt auch, welche Zonen man im Laufe der Abenteuerreise zuerst besucht. Doch keine Sorge: Wenn man die Kampagne der eigenen Fraktion durchgespielt hat – was allerdings bereits zahlreiche Stunden Spielzeit beansprucht, darf man auch zu den Regionen der beiden anderen Allianzen reisen.

Eine Frage der Fertigkeiten

Anders als in anderen Online-Rollenspielen wird die Spielweise nicht nur durch die Wahl einer Klasse geprägt. Auch der Waffen- oder Rüstungstyp entscheidet, welche Fertigkeiten der Spieler im Kampf einsetzen darf. Weitere Angriffe und Zauber erspielt man sich, wenn man sich in einen Werwolf respektive Vampir verwandelt oder einer Interessengemeinschaft wie der Kriegergilde beitritt. Dadurch fällt das Charaktersystem in „TESO“ ausgesprochen frei aus: Ihre Nachtklinge, die eigentlich verstärkt auf Nahkampfangriffe setzt, kann auf Wunsch auch aus der Ferne agieren, zum Sanitäter mutieren oder als Tank an der vordersten Front den Kopf hinhalten. Gleiches ist auch als Drachenritter, Zauberer oder Templer möglich. Die Klassen in TESO sind nicht so restriktiv an Rollen gebunden wie in anderen MMORPGs.

Wie Skyrim, nur anders

Wenn Sie Tamriel das erste Mal betreten, fällt gleich das rudimentäre Interface auf, das Spielern der den erfolgreichen Solo-Vorgänger bekannt vorkommen dürfte. Statt einer Minikarte weist einem etwa ein Kompass den Weg zum nächsten Missionsziel, wichtige Stärkungseffekte werden nur im Charakterbildschirm angezeigt. Ihren Helden steuern Sie mit den WASD- beziehungsweise Pfeiltasten auf der Tastatur durch die Fantasy-Welt. Der Mauszeiger gibt dabei an, wohin Sie laufen, schauen und angreifen. Ihren Hauptangriff lösen Sie mit der linken Maustaste aus, und per Rechtsklick blocken Sie gegnerische Angriffe. Zusätzlich besitzen Sie fünf aktive Fertigkeiten plus einen besonders mächtigen ultimativen Angriff, die man mit Tastenkürzeln aktiviert.

teso04

Blocken, ausweichen, angreifen

Die Kämpfe spielen sich sehr dynamisch, fast schon hektisch, weil Sie neben Ihrem Hauptangriff auch alle aktiven Fertigkeiten ohne Pause nutzen dürfen – zumindest solange Sie über genug Ressourcenpunkte verfügen. Da auch Ihre Widersacher ordentlich austeilen, sind rechtzeitige Block- und Ausweichmanöver überlebenswichtig. Ab Stufe 15 ist es schließlich erlaubt, die eigene Waffe und damit auch die Heldenfertigkeiten im Kampf wechseln. So ist es etwa möglich Gegnern erst mit etwas Sicherheitsabstand durch Pfeilschüsse zu schwächen und ihnen anschießend im Nahkampf den Rest zu geben.

Abwechslungsreiche Aufgaben

In MMORPGs stoßen Sie häufig auf nervtötende generische „Sammle 20 Eberherzen“- und „Besiege 10 Riesenspinnen“-Aufträge. Nicht so in „TESO“: Die Aufgaben in Tamriel fallen deutlich abwechslungsreicher aus und gehören oft zu größeren Missionsketten. Mal decken Sie das Geheimnis von verschwundenen Dorfbewohnern auf, befragen mögliche Zeugen, bestechen Wachen und schleichen sich verkleidet in eine Sperrzone. An anderer Stelle bereiten Sie eine Feier vor, frittieren Hühnchen und schenken an der Bar Getränke aus. Oder Sie lösen eines der vielen Rätsel, überwinden einen Geschicklichkeitsparcours oder entschärfen Fallen mit der Hilfe eines Affen. Das Missionsdesign ist einer der großen Stärken des Spiels.

Den Dialog suchen

Hinter all diesen großen und kleinen Aufgaben steckt immer auch eine Geschichte, die in erster Linie durch die gut geschriebenen und vollvertonten Dialoge erzählt wird. Dank professionellen Synchronsprecher wie Thomas Danneberg (der seine Stimme unter anderem Arnold Schwarzenegger und John Travolta leiht) oder Martin Keßler (Nicolas Cage, Vin Diesel) macht es einen Riesenspaß, den Figuren zu lauschen. Sie nehmen aber nicht nur als passiver Beobachter an den Gesprächen teil, sondern wählen aus mehreren Möglichkeiten eine passende Antwort aus. Man zeigt Interesse, schüchtert ein, überredet – und manchmal wartet sogar eine Entscheidung auf Sie, mit der Sie das Schicksal einer Figur bestimmen.

Durch das eigene Tun die Welt verändern

Noch mehr „Elder Scrolls“-Feeling versprüht die riesige, stimmig designte Welt, in der es so unglaublich viel zu entdecken gibt – und die man dank der Phasing-Technik mit seinen Taten beeinflussen und verändern kann. Zu Beginn einer Mission betreten Sie zum Beispiel ein brennendes Dorf, das von Daedra heimgesucht wird. Später, wenn Sie die Siedlung gerettet haben, sind die Flammen gelöscht und die Feinde vertrieben. Die Dorfbewohner kümmern sich jetzt um den Wiederaufbau und verarzten die Verwundeten.

teso08

Zu viel Betrieb

Leider wird das Phasing nicht immer sinnvoll eingesetzt: Manchmal stolpern Sie in einem Haus, in dem Sie still und heimlich einen Gegenstand klauen sollen, über die Füße unzähliger anderer Spieler. An anderer Stelle betreten Sie einen Bereich und haben automatisch Ihren Auftrag beendet, weil andere Helden das Missionsziel just in diesem Moment erfüllen konnten. Oder Sie wundern sich über Scharen an Mitspieler, die zufällig im selben öffentlichen Dungeon unterwegs sind und den dortigen Bossgegner belagern. Für reine „Elder Scrolls „-Fans führen solche Erlebnisse schnell zum klassischen Immersionsbruch.

Mäßige Gruppeninhalte

Überhaupt ist das Zusammenspiel die Achillesferse von „TESO“. Wenn Sie mit einem Freund unterwegs sind, müssen Sie Missionsziele häufig für jedes Gruppenmitglied separat erfüllen, bei anderen Aufgaben sind Sie dagegen komplett auf sich alleine gestellt. Natürlich gibt es auch Inhalte, die auf das Zusammenspiel mehrerer Helden ausgelegt sind, die unzähligen Dungeons zum Beispiel. Leider fehlt es den Bosskämpfen jedoch an Abwechslung, da sich Mechaniken wie „aus schädlichen Flächen rauslaufen“ und „heranstürmende Diener beseitigen“ zu oft wiederholen.

So viel mehr noch

„TESO“ bietet noch eine ganze Menge mehr, sechs Berufe etwa, die Sie gleichzeitig ausüben dürfen. Es gibt es kein Auktionshaus, stattdessen dürfen Sie Ihre Waren nur in Gildenläden an Mitglieder der Gilde verkaufen. Oder Sie versuchen eben im Chat Ihr Glück. Wer es weniger pazifistisch mag, reist nach Cyrodiil. Dort schlagen Sie sich in Massenschlachten mit anderen Spielern die Köpfe ein, belagern Burgen und reißen mit großem Kriegsgerät wie Katapulten und Ballisten Mauern und Tore ein. Hier liegt auch gleichzeitig das größte Potential für Langzeitmotivation: Das Kräftemessen unter drei Fraktionen sorgt für viel Dynamik und Abwechslung durch vorübergehende Bündnisse.

teso03

Was uns gefällt

Die Welt von Tamriel ist nicht nur riesig, es gibt auch enorm viel zu entdecken. Die unzähligen Himmelsscherben und Schätze beispielsweise, oder neue Quest-Gebiete und versteckte Dungeons. Apropos Quests: Zenimax verzichtet fast vollkommen auf die ausgelutschten Sammel- und Erledige-Missionen, die so typisch für das MMO-Genre sind. Stattdessen gibt es mehrstufige und abwechslungsreiche Aufgabenketten, die viel mehr Spaß machen.

Was uns nicht gefällt

Das Zusammenspiel mit Freunden funktioniert nicht reibungslos. Häufig müssen Sie Missionsziele für jeden Spieler separat erledigen oder einzelne Aufgaben völlig ohne Hilfe meistern, obwohl Sie Teil einer Gruppe sind. Die Gruppenherausforderungen wirken zudem schnell zu routiniert und abwechslungsarm. Gleichzeitig torpedieren die vielen Mitspieler die dichte Atmosphäre, die man sonst aus der „Elder Scrolls“-Serie kennt.

Fazit

„The Elder Scrolls Online“ begeistert mit seinem abwechslungsreichen Quest-Design und den toll erzählten Geschichten. Gerade im Mehrspielerbereich kann Zenimax aber noch einiges dazu lernen. Trotzdem ist TESO ein insgesamt gelungener Ausflug der „Elder-Scrolls“-Reihe ins Genre der Online-Rollenspiele, der durch zukünftige Patches und Erweiterungen noch besser werden kann.

Infos zum Spiel

Titel: The Elder Scrolls Online
Genre: Online-Rollenspiel
Hersteller: Zenimax Online Studios
Publisher: Bethesda Softworks
Release: Im Handel (PC- und Mac-Version)
Preis: zirka 50 Euro (plus zirka 13 Euro Abo-Gebühr pro Monat) / Konsolen: zirka 60 Euro
System: PC, Mac OS X, PS4, Xbox One
USK-Freigabe: Ab 16 Jahren
Wertung: Gut

Erschienen am 16. April 2014 bei T-Online.