„EVE Online“: Die Rückkehr der Abo-Spiele

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„Free-to-Play“ in Multiplayer-Games ist ein Irrweg. Spieler bevorzugen Abogebühren, wenn man ihnen Qualität und Mitbestimmung bietet. „EVE Online“ ist das beste Beispiel.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper und Sandro Odak

Wer Anfang Mai in Reykjavik war, konnte sie kaum übersehen: 2.000 Menschen aus aller Welt feierten drei Tage lang in der futuristischen Harpa das EVE Fanfest. Sie feierten das Online-Rollenspiel EVE Online und sich selbst.

CCP, das Unternehmen hinter EVE Online, hatte wie schon in den vergangenen zwei Jahren das Konzert- und Konferenzhaus in der isländischen Hauptstadt gemietet. Denn der Spielehersteller weiß, wem er seinen Erfolg zu verdanken hat: den treuen Fans, die Monat für Monat die Gebühren zahlen, die zur Nutzung von EVE Online berechtigen.

Seit Jahren wollen Marketing-Menschen ihrem Publikum weismachen, das klassische Abo-Bezahlmodell bei Onlinespielen liege im Sterben. Wer früher ein MMORPG (Massively Multiplayer Online Role-Playing Game) spielen wollte, musste sich in der Regel einem Abonnement-Zwang unterwerfen. World of Warcraft etwa spielten zeitweise zwölf Millionen Menschen, womit das Unternehmen Blizzard weit über 100 Millionen Euro einnahm – jeden Monat. Doch selbst das war irgendwann nicht mehr genug. Game-Designer veränderten Spielmechaniken, fingen an, für einzelne Inhalte Geld zu verlangen. Free-to-Play war geboren. Heute ist es das bevorzugte Finanzierungsmodell vieler Spieleentwickler.

Free-to-Play verspricht höhere Margen

Das Basisprogramm von Free-to-Play-Titeln können Spieler kostenlos aus dem Internet herunterladen. Doch wer nicht immer wieder kleine Geldbeträge verwendet, um sich zum Beispiel eine bessere Ausrüstung zu kaufen, gerät ins Hintertreffen. Obwohl längst nicht alle Spieler bereit sind, in Free-to-Play-Spiele zu investieren, verdienen die Verlage an dem Modell besser als an fixen Gebühren. Sogenannte Wale geben unverhältnismäßig viel Geld aus, um entweder einen spielerischen oder zeitlichen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten zu haben. Ihre durchschnittliche monatliche Investitionssumme ist viel höher als in Abo-Spielen. Sie tragen nicht nur ihre eigenen Kosten, sondern auch die der nichtzahlenden Kunden.

In den vergangen Jahren boomte Free-to-Play, etliche Online-Rollenspiele wie Star Wars: The Old Republic, Rift, The Secret World oder Herr der Ringe Online haben ihr Finanzierungsmodell darauf umgestellt. Früher waren sie klassische Abo-Spiele, heute kann man sie kostenlos herunterladen. Zum Teil, weil sich Spielepublisher höhere Gewinnmargen versprechen. Zum Teil aber auch, um alte Marken attraktiver für neue Kunden zu machen. Die Idee: Was nichts kostet, ist zumindest einen Blick wert.

Das Abo-Modell lässt Communitys heranwachsen

2014 denken Spieleentwickler wieder um. Das Geschäft mit Kostenlos-Spielern ist meist ein kurzes: Sie kommen, zahlen ein paar Wochen für Bonus-Inhalte – und sobald sie das höchste Spiellevel erreicht haben, fehlen ihnen die Herausforderungen. Aktuelle Online-Spiele wie The Elder Scrolls Online, Final Fantasy 14: A Realm Reborn und das am 3. Juni erscheinende WildStar setzen deshalb wieder auf klassischen Vertrieb und monatliche Abonnements. Die Qualität der Spiele steigt: Statt immer neue Werbemechanismen auszutüfteln, mit denen sich digitale Inhalte verkaufen lassen, konzentrieren sich die Macher lieber auf hochwertige Entwicklungen – und die Spieler feiern sie dafür.

WildStar

WildStar

Die Community ist in Abo-Spielen fester verschweißt. Im Netz tauschen sich Spieler über Fakten aus, lernen sich kennen. „Wer ein Abonnement bezahlt, investiert nicht nur in Spielzeit, sondern auch in die Freundschaften, die entstehen“, sagt ein schwedischer EVE-Online-Spieler beim EVE Fanfest. Für ihn sind nicht Grafik und Technik allein der Maßstab für Qualität, der soziale Kontakt zu seinen Mitspielern ist ihm wichtig. Wenn die alle paar Wochen das Spiel verlassen, würde ihm etwas fehlen.

In vergleichsweise kleinem Rahmen stellt CCP mit seiner Weltraumsimulation schon seit Jahren unter Beweis, dass sich Qualität bezahlt macht. Das Unternehmen wächst beständig. Zwischen 2003 und 2007 waren es nur etwa 200.000 Abonnenten, 2013 konnte man über 500.000 verzeichnen. „Wir haben nie aufgehört unser Spiel weiter zu entwickeln“, sagt Hilmar Veigar Pétursson, Geschäftsführer von CCP. „Jedes Jahr bringen wir zwei kostenlose Erweiterung raus, ab sofort verdichten wir sogar die Veröffentlichungsfrequenz.“ Bezahlt werden die steten Arbeiten durch Abonnements, ein Ende der Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht.

Demokratische Strukturen in EVE Online

Und nicht nur das schweißt die Gemeinschaft der EVE-Spieler zusammen. Sie haben, in einer bislang einzigartigen Machtergreifung, demokratische Strukturen aufgebaut. Spieler wählen einen Beirat, den sogenannten Council of Stellar Management, der ihre Belange an die Entwickler heranträgt. Der Spielerrat arbeitet wie ein Mediator, vermittelt zwischen den vielen Spielermeinungen und den wenigen Spielemachern. CCP fliegt sie mehrmals im Jahr nach Island ein, wo sie die Entwicklung des Onlinespiels spürbar beeinflussen. Der neue Beirat wurde auf dem EVE Fanfest gewählt.

Dort stellen sich Entwickler und selbst CEO Pétursson auch den kritischen Fragen der Spieler in kleinen Sälen und Diskussionsrunden. Warum hat man das vielversprechende Vampirspiel World of Darkness abgesagt? Was fällt den Entwicklern ein, die Erzabbauquote um 38 Prozent zu erhöhen? EVE-Spieler fordern etwas, sie wollen mitreden oder zumindest gehört werden.

Ein Monument für die Spieler

Als CCP im Jahr 2011 ein Shopsystem einführte, kündigten Tausende aus Protest ihr Abo. Die Machtdemonstration zeigte Wirkung: Der Geschäftsführer entschuldigte sich in einem offenem Brief an die Spieler, ließ die schlimmsten Schwachstellen sofort beseitigen und andere später entfernen. Den Shop für kosmetische Veränderungen am Spiel gibt es allerdings heute noch. Er hat die Krise überlebt und ist zu einem geschätzten Feature geworden, weil man auf die Interessen der Spieler eingegangen sei, sagt Pétursson.

Das Monument für "EVE-Online"-Spieler in Reykjavik | © Brynjar Snaer / CCP Games

Das Monument für „EVE-Online“-Spieler in Reykjavik | © Brynjar Snaer / CCP Games

CCP lässt sich die Fanpflege einiges kosten. Einen Tag vor dem Fanfest enthüllte das Studio zusammen mit Reykjaviks Bürgermeister Jón Gnarr und Abgeordneten des Parlaments ein Monument zu Ehren der Spieler von EVE Online. Zwei wie Raumschiffe geformte Steinskulpturen stehen nun im Hafen der Stadt, getrennt von einem polierten Stahlelement in der Mitte. Es symbolisiert, wie Hochtechnologie auf die wilde Natur Islands trifft. In der Bodenplatte sind die Namen aller aktiven, aber auch im realen Leben verstorbenen EVE-Online-Nutzer wie dem bei einem Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi ums Leben gekommenen US-Diplomaten Sean Smith alias „Vilerat“ eingraviert. Wer genau hinguckt, findet vielleicht seinen eigenen – unter den 500.000 anderen.

Erschienen am 09. Mai 2014 bei Zeit Online.