WoW Classic: World of Warcraft und die Macht der Nostalgie

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Blizzard will ab Sommer 2019 Classic-Server mit World of Warcraft anbieten. Warum ziehen Spieler 15 Jahre alte Inhalte neuen vor? Golem.de hat mit Spielern und mit Entwicklern gesprochen.

Von Benedikt Plass-Fleßenkämper

Leichter, schneller, massenmarkttauglicher: Das Spielgefühl von WoW hat sich nach zahlreichen Änderungen und Vereinfachungen im Spielsystem innerhalb der vergangenen 15 Jahre dramatisch verändert – und das spiegelt sich auch direkt in der Community wider. Wo in dem Online-Rollenspiel der Spielfortschritt früher ohne organisierte Gruppen nahezu unmöglich war, ist es heute dank Komfortfunktionen wie Dungeon- und Schlachtzugsbrowser auch für Einzelgänger gut spielbar. Doch das gefällt nicht allen Spielern.

Blizzard hat reagiert und schon auf der Hausmesse Blizzcon 2017 angekündigt, in Zukunft eigene Classic-Server anzubieten. Auf der 2018er-Ausgabe der Messe haben die Kalifornier ihre Pläne zu WoW Classic konkretisiert: Das Spiel soll allen Abonnenten ab Sommer 2019 als eigene Serveroption zur Verfügung stehen. Doch warum wollen so viele Spieler das klassische WoW zurückhaben? Golem.de hat sich mit Vanilla-Fans, einem Psychologen, Branchenkennern und den WoW-Entwicklern unterhalten, um diesen Fragen nachzugehen.

Ein Vergleich von zwei Szenen aus dem bisher erfolgreichsten Online-Rollenspiel mit Abomodell zeigt, wie groß die Veränderungen sind. Erstere stammt aus der Urversion, von den Fans einfach „Vanilla“ genannt, die mit dem US-Launch am 23. November 2004 an den Start ging und im Januar 2007 von der ersten Erweiterung The Burning Crusade abgelöst wurde. Die zweite Szene beschreibt den aktuellen Zustand von WoW im mittlerweile siebten Addon Battle for Azeroth.

Das Brachland im Jahr 2005. Ein junger Jäger kann es kaum erwarten, mit seinem tierischen Begleiter die unendlichen Grassteppen im Zentrum Kalimdors zu erkunden. Bevor es losgeht, muss er sich jedoch mit Vorräten eindecken: Munition für den Bogen. Fleisch, um das Tier bei Laune zu halten. Bandagen und Nahrung, um während und nach den Kämpfen Lebenspunkte zu regenerieren. Dann noch ein paar Quests angenommen – los geht’s! Doch wohin?

Weil ein Blick auf die Karte keinen Hinweis gibt, durchstöbert der Waidmann die Aufgabenbeschreibung. Ah, Zhevras, auf deren Hufe er es abgesehen hat, treiben sich im Norden herum. Und tatsächlich: Nach einem langen Marsch – die erste Reitfertigkeit darf er erst mit Charakterstufe 40 erlernen – findet er die an Zebras erinnernden Tiere endlich. Vorsichtig schießt er ein Ziel an. Bloß nicht die Aufmerksamkeit von mehreren Feinden gleichzeitig auf sich ziehen, das endet oft tödlich!

Auch auf das Level der Widersacher achtet der wackere Jäger: Hat das Tier drei oder mehr Stufen als er selbst auf dem Buckel, gehen die meisten Angriffe seines Bogens genauso ins Leere wie die Tatzen des Begleiters. Etwa zehn Zhevras muss der Held umhauen, bis er endlich die vier Hufe beisammenhat. Jetzt zurück zum Questgeber. Der Einsatz des Ruhesteins will dabei gut überlegt sein: Eine Stunde dauert es, bis die Schnellreisemöglichkeit abklingt und sie erneut zur Verfügung steht.

Im Dorf angekommen, belohnt die Aufgabe mit genug Erfahrungspunkten für einen Stufenaufstieg. In einem von drei Talentbäumen darf der Spieler einen Talentpunkt verteilen. Außerdem kann er beim Klassenlehrer für einen kleinen Obolus neue Fähigkeiten erlernen. Hoffentlich reicht das Silber. Auf in die Orc-Hauptstadt Orgrimmar!

Das Brachland im Jahr 2019. Ein junger Jäger kann es kaum erwarten, mit seinem tierischen Begleiter die seit dem Kataklysmus zweigeteilte Zone im Zentrum Kalimdors zu erkunden. Vorbereiten muss er sich auf sein Abenteuer nicht: Seinem Bogen gehen die Pfeile nie aus, für das Verarzten des Tieres gibt es eine Extrafähigkeit, und überhaupt stellen die Gegner der Zone keine große Herausforderung dar.

Also schnell ein paar Quests angenommen – los geht’s! Wohin? Das verrät ein Blick auf die Karte. Nach einem kurzen Ritt – möglich ab Level 20 – erreicht er die Zhevras, auf deren Hufe er es abgesehen hat. Jedes Tier in Bogenreichweite bekommt einen Pfeil in die Rippen. Viele Tiere sterben noch, bevor sie den Jäger erreichen. Die anderen fängt sein Gefährte ab. Dank Schnellplündern reicht ein Klick, und die vier Hufe landen in der Tasche. Mit dem Ruhestein geht es im Anschluss zurück zum Auftraggeber. Warum auch nicht? Die Schnellreisemöglichkeit steht nach 15 Minuten erneut zur Verfügung.

Im Dorf angekommen, belohnt die fertige Aufgabe mit genug Erfahrungspunkten für einen Stufenaufstieg. Sehr gut, eine neue Fähigkeit ist freigeschaltet! Ganz automatisch und ohne irgendwelche Kosten. Dafür muss sich der Abenteurer bis zur nächsten Talentfreischaltung noch etwas gedulden. Alle 15 Levelaufstiege darf er eine von drei neuen Verbesserungen aktivieren. Na dann, auf zur nächsten Quest!

So mancher Fan sehnt sich nach der Vanilla-Zeit zurück, als WoW noch anspruchsvoller und mehr auf Gruppenspiel und Interaktion ausgerichtet war.

Lange hatte sich Blizzard gegen eigene, offizielle Classic-Server ausgesprochen. Erfolgreiche Privatserver-Projekte wie Nostalrius wurden gar mit Klageandrohung zur Schließung gezwungen. Doch dann änderte das Unternehmen seine Meinung.

Der vollständige Artikel ist am 13. Februar 2019 bei Golem.de erschienen.